Cathérine und die Zeit der Liebe
deinen Bericht warte!«
»Was nutzt das jetzt noch? Du willst nichts hören, nichts zugeben! Ich muß ja um jeden Preis in deinen Augen schuldig sein, um dein Gewissen zu beruhigen, nicht wahr? Einfach, weil du mich nicht mehr liebst, Arnaud, und im Bann dieser Frau stehst, so sehr, daß du deine eigene Frau vergißt … und unseren Sohn!«
»Ich vergesse nichts!« rief Arnaud, um seinen Zorn wiederanzufachen, den das plötzlich in ihm wachgerufene Bild des kleinen Knaben beträchtlich beschwichtigt hatte. »Wie könnte ich mein Kind vergessen? Es ist Fleisch von meinem Fleisch, wie ich das Fleisch meiner Mutter bin.«
Cathérine war aufgestanden, und die beiden Gatten standen sich wie zwei Kampfhähne gegenüber, jeder eine schwache Stelle im Harnisch des anderen suchend, um ihn um so sicherer verwunden zu können; aber ebenso, wie der Gedanke an Michel Arnaud halb entwaffnet hatte, so besänftigte die Erinnerung an Isabelle de Montsalvy den Groll Catherines. Sie war ihrem Gatten wegen seiner Täuschung zutiefst böse, liebte ihn aber zu sehr, um nicht unter dem Schlag zu leiden, den sie ihm jetzt versetzen mußte. Den Kopf senkend, murmelte sie:
»Sie lebt nicht mehr, Arnaud … Am Tage nach dem letzten Sankt Michael ist sie sanft entschlafen. Sie hatte die große Freude gehabt, noch mitzuerleben, wie unser kleiner Michel von all deinen versammelten Lehnsleuten zum Herrn ausgerufen wurde … Sie hat dich geliebt und hat für dich bis zum letzten Atemzug gebetet.«
Das Schweigen während der folgenden Augenblicke war drückend, wurde nur durch das schwere, schnelle und stoßweise Atmen Arnauds unterbrochen … Er sagte nichts. Cathérine hob wieder den Kopf. Das schöne Gesicht schien versteinert zu sein. Sein starrer Ausdruck, sein starrer Blick ließen keine Regung erkennen, weder Überraschung noch Schmerz, doch Tränen rannen über seine Wangen. Sie erschütterten Cathérine, die schüchtern die Hand ausstreckte, sie auf Arnauds Arm legte und ihn drückte, ohne eine Reaktion zu spüren.
»Arnaud!« stammelte sie. »Wenn du wüßtest …«
»Wer behütet Michel … während du auf den Landstraßen umherziehst?« fragte er so sachlich, als hätte es sich um eine unwichtige Erkundigung gehandelt.
»Sara und der Abbé de Montsalvy, Bernard de Calmont d'Olt … Dann sind da noch Saturnin und Donatienne … und alle Menschen in Montsalvy, die langsam wieder zum Leben zurückfinden und zu der Freude, deine Lehnsleute zu sein. Die Ländereien beleben sich wieder … und die Mönche der Abtei bauen ein neues Schloß neben dem Südportal, damit Schloß und Dorf sich besser Hilfe leisten können, falls neue Gefahr droht …«
Während Cathérine sprach, verwischte sich die zauberhafte, aber fremde Kulisse für die beiden Gatten. Anstelle des Rosenpalais, der üppigen Vegetation, des stehenden Wassers erwuchs vor ihren Augen die alte Auvergne mit ihren windgepeitschten Ebenen, ihren schnellen und wilden Gewässern, ihren tiefen schwarzen Wäldern, ihrem herben Boden, in dem geheimnisvoll Gold, Silber und glänzende Steine ruhten, mit ihren fuchsroten Ochsen und ihren eigensinnigen, aber tapferen Bauern, ihren purpurroten Sonnenuntergängen, ihren frischen Morgen, der malvenfarbenen Süße ihrer Dämmerungen und den langen Nebelschwaden an den Hängen der alten, erloschenen Vulkane …
Unter Catherines Hand zitterte der Arm Arnauds, wurde weich. Ihre Finger, die sich einen Augenblick wie Blinde suchten, verschränkten sich.
Die Berührung der festen und warmen Hand Arnauds ließ Cathérine vor Freude erschauern.
»Möchtest du das alles denn nicht wiedersehen? Es gibt kein Gefängnis, aus dem man nicht entweichen kann, außer dem Grab«, murmelte sie. »Kehren wir heim, Arnaud, ich flehe dich an …«
Aber er hatte keine Zeit, zu antworten. Jäh schwand die Täuschung, die Fata Morgana, der Zauber verflog. Hinter einer Kohorte fackeltragender Eunuchen, Morayma zur Seite, war Zobeida unter dem Säulengang erschienen und schritt jetzt am Wasserbecken entlang auf sie zu. Das Wasser schien Feuer zu fangen, die Nacht verlöschte, die noch vor einer Minute verschränkten Hände lösten sich.
Die dunklen Augen Zobeidas richteten sich zuerst auf Cathérine und kehrten dann fragend zu Arnaud zurück. An dem Stirnrunzeln, das ihren Blick begleitet hatte, erkannte Cathérine, daß die Maurin erstaunt war, sie noch lebend vorzufinden. Sie drückte es auch ganz klar aus: »Hast du deiner Schwester verziehen,
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