Cathérine und die Zeit der Liebe
Seidendecken … unfähig, die Augen zu schließen, um das scheußliche Tier nicht mehr zu sehen.
Sie versuchte, sich zu fassen, und dachte an ihren Gatten. Sie würde hier sterben, nur wenige Schritte von ihm entfernt, und morgen, wenn man ihren kalten Leichnam entdeckte, würde Zobeida zweifellos eine Unmenge Entschuldigungen und verlogenes Bedauern vorbringen. Alle Zimmer öffneten sich auf den Garten. Wie konnte sie ahnen, daß eine Schlange, die vielleicht von der Frische der Wasserbecken angezogen worden war, ausgerechnet in dieses eindringen würde? … Und Arnaud würde ihr vielleicht glauben … Daher und weil die Schlange jetzt den unteren Teil des Bettes erreichte, weil sie zu sehr Angst hatte und seiner verzweifelt bedurfte, stöhnte Cathérine:
»Arnaud! … Arnaud, mein Liebster!«
Und das Wunder geschah. Cathérine glaubte, die Angst habe sie wahnsinnig gemacht, als sie seine hohe Gestalt im Mondschein aus den Schatten des Gartens auftauchen sah wie den guten Geist in den orientalischen Märchen. Mit einem Blick umfaßte er die entsetzte, in die fernste Ecke ihres Bettes geduckte Gestalt Catherines und das Reptil, das schon seinen flachen Kopf hob. Mit einer Hand riß er den Dolch aus dem Gürtel, packte mit der anderen eine von einer Fußbank herunterhängende Robe, knüllte sie zusammen und ließ sich mit seinem ganzen Gewicht auf die Kobra fallen.
Die Schlange war sofort tot. Mit Kraft und Genauigkeit geführt, traf der Dolch sie am Kopfansatz und trennte den Kopf fast ganz vom Körper, der leblos wurde. Arnaud hob sich auf ein Knie und sah seine Frau an. Der Mondstrahl hatte sie erreicht, verriet ihre tragische Blässe. Ihre verkrampften Hände preßten immer noch die Decke an sich, aber sie hatte zu zittern begonnen wie ein Blatt im Sturm.
Um sie zu beruhigen, murmelte er sanft:
»Hab keine Angst! Es ist vorbei … ich habe sie getötet!«
Aber sie konnte ihn kaum hören. Völlig von der entsetzlichen Furcht durchdrungen, die sie hatte ausstehen müssen, blieb sie mit aufgerissenen Augen und klappernden Zähnen sitzen, unfähig zu antworten. Besorgt glitt er neben sie aufs Bett.
»Cathérine! Ich bitte dich, antworte mir … Fehlt dir etwas?« Sie öffnete den Mund, aber kein Wort kam über ihre unaufhörlich zitternden Lippen. Sie wollte weinen, aber sie konnte nicht und hob zu Arnaud ihren noch schreckerfüllten und so rührenden Blick, daß Arnaud eine instinktive Bewegung machte: Er nahm sie in seine Arme.
Tiefes Mitleid überkam ihn, als er sah, daß sie sich ganz eng an seine Brust drückte, als suche sie nach Art erschreckter Kinder, sich so klein wie möglich zu machen. Er drückte sie noch fester an sich, versuchte, seine Wärme auf sie zu übertragen, damit ihr Zittern aufhöre. Sanft strich er über den blonden, an seine Schulter gelehnten Kopf.
»Ärmste! Du hast solche Angst gehabt … solche Angst! Diese elende Frau! Sie ist zu allem fähig … und da ich das wußte, blieb ich wach … aber zu so einer Gemeinheit! … Beruhige dich, ich bin da! … Ich werde dich verteidigen! … Wir werden zusammen fliehen, werden heimkehren. Ich liebe dich …«
Das Wort war ihm ganz von selbst über die Lippen gekommen, aber Arnaud wunderte sich nicht darüber. Sein Groll, seine Eifersucht waren mit einemmal verflogen. Eben, als er durch den Garten gegangen war, weil eine tiefe Unruhe ihn unwiderstehlich zu diesem Teil des Palastes trieb, hatte er das schwache Stöhnen Catherines und seinen in Todesangst ausgestoßenen Namen gehört; er hatte den langen schwarzen Leib über den Marmor auf das Bett seiner Frau zu kriechen sehen, und die entsetzliche Furcht, die ihn befallen hatte, hatte ihm das genaue Ausmaß seiner Liebe zu ihr klargemacht. Und jetzt, da sie in seinen Armen ruhte, zitternd wie ein kranker Vogel, begriff er, daß nichts und niemand je zwischen ihn und sie treten konnte, daß eine Liebe wie die ihre vieles aushalten konnte, Kummer, Schmerz und Leid, nur nicht endgültige Trennung. Sie waren ein Herz in zwei verschiedenen Körpern, und Arnaud wußte wohl, daß er nie den Mut fände, Cathérine zu verstoßen. Die Laune, aus Langeweile und der großen Freude geboren, die er empfunden hatte, als er erfuhr, daß er nicht leprakrank war, diese Laune, die ihn Zobeida in die Arme getrieben hatte, war zu einer für sein körperliches Gleichgewicht notwendigen Gewohnheit geworden, aber es war eine armselige Empfindung im Vergleich zu dem einzigen Glück, Cathérine in
Weitere Kostenlose Bücher