Cathérine und die Zeit der Liebe
zwingen, es einzugestehen:
»Warum hast du solche Angst, Morayma? Wovor fürchtest du dich?«
»Ich?« entgegnete die andere unaufrichtig, »ich habe keine Angst. Mir … mir ist kalt!«
»Bei dieser Temperatur? Die Brise von vorhin hat sich gelegt. Nicht einmal die Blätter im Garten rühren sich mehr.«
»Und doch ist mir kalt … mir ist immer kalt!«
Während sie sprach, stellte sie ans Kopfende von Catherines Bett eine Schale Milch, die die junge Frau überrascht betrachtete.
»Warum diese Milch?«
»Für den Fall, daß du Durst bekommst. Und außerdem mußt du viel Milch trinken, das bewahrt den Glanz und die Zartheit deiner Haut.«
Cathérine seufzte. Dies war gerade der richtige Augenblick, sich mit ihrer Haut zu beschäftigen! Man schien sich in diesem Palast einzig und allein mit den Geheimnissen der Schönheit zu befassen, und sie begann, ihrer Rolle als verhätscheltes, gemästetes und geschmücktes Luxustier für den Gebrauch des Herrn nachgerade müde zu werden. Als ob sie keine anderen Sorgen hätte als den Schimmer ihres Teints! …
Während Morayma so schnell verschwand, wie ihre kurzen Beine sie trugen, versuchte Cathérine, ihre Situation zu durchdenken. Die unmittelbare Nähe Zobeidas flößte ihr keine Furcht ein.
Zweifellos würde die Prinzessin es sich zweimal überlegen, ehe sie etwas gegen sie unternahm, die sie für die Schwester ihres Geliebten hielt.
Sie also beunruhigte die junge Frau nicht so sehr. Aber Arnaud! … Wie seltsam und unberechenbar er war! Noch vor einer Stunde, als er sie erkannt hatte, hatte sie keine Sekunde an seiner Wiedersehensfreude und an seiner Liebe zu ihr gezweifelt. Es gab untrügliche Anzeichen dafür. Doch Zobeida erstickte diese Freude, wie man eine Kerze ausbläst, mit ihren giftigen Unterstellungen, und Arnaud hatte den plötzlichen Windstoß des Glücks vergessen, um nur auf seine Eifersucht zu hören, auf den Zorn des betrogenen Gatten. Zudem, dachte Cathérine traurig, wußte er nicht einmal von gewissen Episoden, wie der im Lager der Zigeuner mit dem unglücklichen Fero oder jener im Burgturm von Coca … und er durfte es auch nie erfahren, sonst gäbe es weder Rast noch Ruhe, noch Glück mehr für Cathérine. Er würde sich für immer von ihr abwenden … Indes, nach den Erregungen dieses Tages von Müdigkeit überwältigt, schloß Cathérine schließlich doch die Augen, aber sie sank nicht in den tiefen Schlaf, der in wenigen Stunden selbst die geschwächtesten Kräfte wiederherstellt. Sie schlief schlecht, nervös, fuhr jäh auf, und ihr Unterbewußtsein war reger als je. Im Untergrund ihres Schlafs witterte sie eine Gefahr, deren Natur sie nicht bestimmen konnte, die sich aber unerbittlich näherte.
Das plötzliche Gefühl zu ersticken weckte sie. Sie richtete sich schweißgebadet und mit klopfendem Herzen auf. Das Mondlicht beschien jetzt voll die Fliesen des Gemachs. Ein Entsetzensschrei entrang sich der Kehle der jungen Frau: Da … als langer fahler Schmutzstreifen bewegte sich etwas Schmales, Schwarzes, Glänzendes … eine Schlange kroch auf das Bett zu!
Das war kein Zufall, und Cathérine begriff blitzschnell. Die Schale Milch, die Morayma ans Kopfende ihres Bettes gestellt hatte! … Milch, Wonneschmaus der Schlangen! Die merkwürdige Eile zu verschwinden, die Morayma an den Tag gelegt hatte, ihre zitternde Angst bekamen jetzt einen einleuchtenderen Sinn … Dieses ekelhafte Tier, das auf sie zu kroch, das war die Hand Zobeidas, der Tod in seiner häßlichsten Erscheinung!
Mit vor Entsetzen geweiteten Augen drückte sie die Seidendecken zitternd an die nackte Brust, und während kalter Schweiß ihr den Rücken hinunterrann, sah Cathérine, wie die Schlange sich näherte. Noch nie hatte sie derartige Angst ausgestanden, die einer Lähmung ihres ganzen Seins gleichkam. Sie war wie hypnotisiert von dem langen schwarzen Leib, dessen Ringe sich langsam über die Fliesen wanden, näher, immer näher. Und es war wie ein Alpdrücken, aus dem es kein Erwachen gab, denn sie wagte nicht zu schreien. Die Schlange war nicht sehr groß, hatte aber einen breiten, flachen, dreieckigen und häßlichen Kopf; ein Schrei würde den Biß vielleicht beschleunigen. Und wen sollte sie rufen? Cathérine konnte sich keiner Illusion über die grausame Absicht dieses widerlichen Todesboten hingeben. Niemand würde auf ihren Hilferuf kommen … Und sie war hier, allein, gefährdet wie auf einem Schafott, nur geschützt von einigen
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