Cathérine und die Zeit der Liebe
Herz begehrt, und du wirst mehr herrschen als ich, weil du über mich herrschen wirst!«
Mohammed hatte mit einem Schlag das leidenschaftliche Gesicht wiedergewonnen, das er in dem Garten mit den plätschernden Wassern gehabt hatte. Cathérine, plötzlich traurig, verstand, daß er sie wirklich liebte, daß er jedes Opfer für sie zu bringen bereit war, außer dem einen, das sie von ihm forderte.
Es wäre natürlich leicht, ihn zu belügen, ihn an eine fiktive Liebe glauben zu lassen, aber sie wußte wohl, daß dies Arnaud nicht retten und daß er ihr diesen letzten Verrat nicht verzeihen würde. Sie hatte versprochen, offen zu sein, und sie würde es bis zum Schluß sein. Vielleicht würde dieser Mann, der ihr immer gut und gerecht erschienen war, letzten Endes so viel Edelmut aufbringen, sich großzügig zu erweisen …
»Du hast mich nicht verstanden, Herr«, sagte sie betrübt, »oder du hast mich nicht verstehen wollen. Um hierherzukommen und ihn hier zu suchen und so viele Gefahren zu bestehen, mußte ich meinen Gemahl lieben … mehr als alles in der Welt!«
»Ich sagte dir bereits, daß er nicht mehr lange dein Gemahl sein wird!«
»Weil du ihm den Tod geschworen hast? Aber, Herr, wenn du mich liebst, wie du behauptest, kannst du mich nicht zur Verzweiflung treiben wollen. Glaubst du, daß ich dich nach seinem Tod lieben, die Liebkosungen deiner von seinem Blut noch triefenden Hände ertragen könnte?«
Plötzlich kam ihr ein Gedanke, hochherzig und verrückt, aber die unmittelbare Gefahr, in der sich Arnaud befand, ließ ihr keine Wahl. Sie hatte immer das Recht, sich für ihn zu opfern, und dieser Mann empfand genug Liebe für sie, um anzunehmen, was sie ihm jetzt anbieten würde:
»Hör mich an!« sagte sie mit drängender Stimme. »Wenn du mich wirklich liebst, kannst du keine so entsetzliche Erinnerung zwischen uns stellen. Laß meinen Gemahl gehen! Laß ihn an die Grenze des Königreichs zurückbringen … und ich werde bei dir bleiben, als deine Gefangene, solange du willst.« Diesmal verdrehte sie bewußt die Wahrheit entgegen ihrem Versprechen, denn sie wußte genau, daß sie, wenn er ihren Vorschlag annähme, alles täte, um zu fliehen, und daß Arnaud seinerseits alles ins Werk setzen würde, sie zu entführen. Aber sie mußte Zeit gewinnen und vor allem Arnaud dem nahenden Tod entreißen. Ganz behutsam näherte sie sich Mohammed mit instinktiver Koketterie, betörte ihn mit ihrem Parfüm, wurde kühner und legte ihm die Hand auf den Arm. Zum Teufel mit den Bedenken! Das Leben Arnauds ging vor!
»Hör mich an, Herr, und tue, worum ich dich bitte!« flehte sie. »Begnadige meinen Gatten!«
Ohne sie anzusehen, den Blick auf den grünen Hof gerichtet, erwiderte er kalt: »Ich habe nicht das Recht zur Begnadigung! Du vergißt, daß es meine Schwester ist, die er getötet hat, und daß das gesamte Königreich den Kopf des Mörders verlangt.« Daß ganz Granada die allgemein verhaßte Zobeida rächen wollte, bezweifelte Cathérine, sie sagte aber nichts. Es war jetzt nicht der Augenblick, die Beliebtheit der Toten zu erörtern. Als ihre Hand ihn berührte, hatte sie gespürt, wie Mohammed zitterte, und das genügte ihr.
»Dann laß ihn fliehen! Niemand wird dir daraus einen Vorwurf machen.«
»Fliehen?« Diesmal sah er sie an, und Cathérine stellte enttäuscht fest, daß sein Blick wie Stahl war. »Weißt du, daß sich der Großwesir persönlich zu seinem Kerkermeister eingesetzt hat? Weißt du, daß außer den zwanzig maurischen Soldaten, die ihn nicht aus den Augen lassen, auch ein Trupp von Männern des Großen Kadi seinen Kerker bewacht? Denn Allah selbst verlangt das Blut des Mörders einer Prinzessin von Granada. Um ihn fliehen zu lassen, müßte ich diese ganze Welt beseitigen … und ich würde meinen Thron riskieren!«
Während er sprach, hatte Cathérine allmählich die Hoffnung aufgegeben.
Sie begriff plötzlich, daß der Kampf vergebens war, daß er jeden Vorwand suchte, um eine Begnadigung zu verweigern, die er eben nicht gewähren wollte. Er haßte Arnaud, mehr noch, weil er ihr Gemahl war, als Zobeidas wegen. Trotzdem machte sie noch einen letzten Versuch, ihn zu erweichen.
»Deine Schwester wollte mich den Sklaven ausliefern«, sagte sie kurz und bündig, »wollte mich nackt auf dem Festungswall ans Kreuz schlagen lassen und mich dann ihren mongolischen Henkersknechten ausliefern. Arnaud hat zum Dolch gegriffen, um mich zu retten, und du verweigerst mir sein Leben! …
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