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Cathérine und die Zeit der Liebe

Titel: Cathérine und die Zeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benzoni Juliette
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der Wunder, bei den Gaunern und Bettlern, sind das Dinge, die man nicht vergißt. Auch wir haben einen Ehrbegriff, auf unsere Art …«
    Cathérine antwortete nicht sofort. Josse konnte den Widerhall nicht ahnen, den seine Worte in ihr weckten, konnte nicht wissen, daß auch sie einmal ihr Leben und ihre Sicherheit diesem selben Hof der Wunder verdankt hatte, von dem er sprach … Schließlich sagte sie:
    »Und um Eure Schuld zu begleichen, drängt Ihr mich nun, mit Euch nach Granada aufzubrechen? Ihr wißt doch, daß ich dort Schlimmeres als den Tod riskiere.«
    »Nun«, meinte Josse kalt, »wenn Ihr sterbt, dann nur, weil ich vor Euch tot sein werde! … Die Zeit eilt, Dame Cathérine, entscheidet Euch! Entweder glaubt Ihr mir, und wir brechen auf, oder Ihr glaubt mir nicht … und Ihr werdet ja sehen. Ich kenne Spanien ein wenig … war schon einmal da. Ich kenne auch die Sprache ein wenig. Ich kann Euch als Führer dienen!«
    »Könntet Ihr mir auch nach Burgund folgen? Das wäre zweifellos angenehmer!«
    »Ich glaube nicht. Diese Leute, die Euch vor Euch selbst retten wollen, erweisen Euch einen schlechten Dienst. Sie wissen nicht, daß Ihr nicht glücklich sein könntet mit einer Reue, mit dem Bedauern im Herzen, nicht ausgeführt zu haben, was Ihr Euch vornahmt! Ich ziehe vor, Euch in die Gefahr stürzen zu sehen und sie mit Euch zu teilen, weil Ihr wie ich seid! Ihr gebt nie auf. Und ich halte Euch für fähig, die größten Schwierigkeiten und Gefahren zu überwinden. Ich weiß sehr wohl, was wir riskieren werden, Ihr und ich: die Sklavenpeitsche, den Tod, die Folter – und für euch, da Ihr eine Frau seid, noch mehr … aber ich glaube, es lohnt sich, das Abenteuer zu wagen und zu erleben. Ihr findet vielleicht Euren Gatten wieder, und ich treffe vielleicht auf das Glück, das mir noch nicht hold war. Es heißt, das Königreich Granada sei reich … Also? … Reiten wir? Die Pferde sind gesattelt und warten unter dem Gewölbe!«
    Eine leise Hoffnung richtete Cathérine auf! Allein dieser Bursche hatte die richtigen Worte gefunden, den Zuspruch, den sie brauchte. Er war tapfer, intelligent, gewandt … Er wollte ihr helfen! Nein! Sie würde sich nicht wie ein hübsches, mit Goldfäden umwickeltes Paket Philippe von Burgund ausliefern lassen, nur weil zwei wohlgesonnene Narren glaubten, dies sei das beste Mittel, ihr zum Glück zu verhelfen! Sie warf Josse einen funkelnden Blick zu.
    »Reiten wir! Ich bin bereit …«, rief sie hingerissen.
    »Einen Augenblick!« sagte er, ihr das Bündel reichend. »Hier sind Männerkleider, die ich einem Soldaten gestohlen habe. Zieht sie an, und packt die Euren ein. Wir werden sie mitnehmen. Aber macht schnell … So wird man uns schwerer verfolgen können!«
    Begierig griff sie nach den Kleidern, befahl Josse, Wache zu stehen, trat hinter einen Strebepfeiler und zog sich um, ohne sich um die Kälte zu kümmern. Ein wunderbarer Tatendrang feuerte sie an … In dem Augenblick, in dem sie zum Kampf antrat, konnte sie ihren ganzen Kummer vergessen! Es würde noch Zeit genug sein, sich ihm zu überlassen, wenn sie scheiterte, aber diesen Gedanken wollte sie gar nicht erst in sich aufkommen lassen, keinen Augenblick!
    Und plötzlich glaubte sie, aus dem Dunkel der Zeit eine dünne, lispelnde Stimme flüstern zu hören:
    »Wenn du eines Tages einmal nicht mehr weiterweißt, komm zu mir. Vor meinem kleinen Haus am Rande des Genil blühen die Zitronen- und Mandelbäume von ganz allein, und die Rosenstöcke duften den größten Teil des Jahres. Du wirst meine Schwester sein, und ich werde dich die Weisheit des Islams lehren …«
    Seltsamer, getreulicher Spiegel der Erinnerung! Der Eindruck war so deutlich, daß Cathérine plötzlich vor sich die zarte Gestalt eines jungen Mannes in einer weiten blauen Robe, mit einem absurd weißen Bart und einem gewaltigen orangefarbenen Turban in Form eines riesigen Kürbisses zu sehen glaubte. Sein Name kam ihr ganz natürlich von den Lippen:
    »Abu! … Abu al-Khayr! … Abu, der Arzt!«
    Sie mußte schon sehr tief in ihrem Schmerz befangen gewesen sein, daß sie nicht schon früher an ihn gedacht hatte. Abu, ihr alter Freund, lebte in Granada! Er war der Arzt und Freund des Sultans! Er würde schon wissen, was zu tun war, und würde ihr helfen, dessen war sie sicher!
    Von plötzlicher Freude durchdrungen, zog Cathérine sich eiligst an, wickelte ihre Kleider zu einem Bündel zusammen, das sie unter den Arm nahm, und trat

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