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Cathérine und die Zeit der Liebe

Titel: Cathérine und die Zeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benzoni Juliette
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lanzenbewehrter Reiter. Auf diesem Karren war ein aus dicken Holzlatten gefertigter und mit festen Eisenbändern umgebener Käfig. Und in diesem Käfig war ein angeketteter Mann.
    Man sah nur seinen unförmig zusammengekauerten Körper. Die Enge des Käfigs gestattete ihm nicht, aufrecht zu stehen. Er saß da, den Kopf in den auf die Knie gestützten Armen verborgen, zweifellos, um sich gegen die Wurfgeschosse aller Art abzuschirmen, die die Bevölkerung mit wütenden Schreien gegen ihn schleuderte. Kohlstrünke, Pferdeäpfel und vor allem Steine regneten ohne Unterlaß auf den Käfig hinunter, aber die Masse Mensch, denn der Mann mußte ziemlich groß sein, zuckte nicht. Er sah erdfarben aus, so schmutzig war er, und man konnte weder die wirkliche Farbe seines Haars noch die seiner Haut unterscheiden. Graue, schmutzige Lumpen bedeckten ihn, doch an seinem Kopf konnte man das dunkle Mal einer frischen Verwundung sehen.
    Die Menge schrie immer lauter, und die Wachen mußten von ihren Lanzen Gebrauch machen, um sie zurückzudrängen, sonst hätte sie den Käfig gestürmt. Fasziniert betrachtete Cathérine diese aufrührerische Szene, ohne ihren Blick abwenden zu können. Mitleid für den Unglücklichen in seinem jammervollen Zustand, auf den die Plebs sich stürzte, stieg in ihr auf. »Mein Gott!« murmelte sie, laut denkend. »Was hat dieser Unglückliche getan?«
    »Verschwendet Euer Mitleid nicht, mein junger Herr«, bemerkte neben ihr eine Stimme mit starkem, schwerfälligem Akzent. »Es handelt sich nur um einen der verfluchten Straßenräuber, die die Berge von Oca im Osten dieser Stadt unsicher machen … Es sind blutgierige Wölfe, die stehlen, plündern, verbrennen und ihre Gefangenen einem schrecklichen Tod ausliefern, wenn sie kein Lösegeld zahlen können.«
    Überrascht wandte sich Cathérine um. Es war ein Mann in den Vierzigern mit offenem und energischem Gesicht, das von einem blonden Bart schmeichelnd eingerahmt wurde, und mit einem Paar blauer, ehrlicher Augen. Aber die Gestalt war kräftig und stolz. Man konnte die starken Muskeln unter dem Rock aus grober brauner Wolle ausmachen, der von dem feinen weißen Staub bedeckt war, der die Steinmetzen charakterisiert. Das offene Lächeln, das er ihr bot, gefiel Cathérine.
    »Wie kommt es, daß Ihr unsere Sprache sprecht?« fragte sie. »Ich spreche sie ziemlich schlecht, verzeiht mir«, erwiderte der Mann lachend, »aber ich verstehe sie ganz gut. Ich heiße Hans von Köln und bin Baumeister der Kathedrale«, fügte er hinzu, indem er auf die Gerüste, die das Gebäude umgaben, deutete.
    »Aus Köln?« fragte die junge Frau erstaunt. »Was hat Euch denn so weit von Eurem Land fortgeführt?«
    »Der Erzbischof von Karthagena, den ich während des Konzils in Basel vor drei Jahren kennenlernte. Aber Ihr, Ihr seid auch nicht von hier …«
    Eine leise Röte überflog Catherines Wangen. Sie war auf diese Frage nicht gefaßt und hatte keine Antwort darauf bereit.
    »Ich … ich heiße Michel de Montsalvy«, entgegnete sie überstürzt, um mit ihrer männlichen Kleidung im Einklang zu bleiben. »Ich reise in Begleitung meines Knappen, um das Land kennenzulernen!«
    »Es heißt, Reisen bilde die Jugend. Das beweist, daß Ihr nicht unverfroren oder noch sehr unschuldig seid, denn diese Gegend hat nichts Angenehmes an sich. Die Natur ist rauh, und die Menschen sind Halbwilde …«
    Er unterbrach sich. Die Menge war plötzlich in tiefes Schweigen gefallen, so daß man das dumpfe Stöhnen des angeketteten Mannes hören konnte.
    Ein Trupp Stadtknechte näherte sich, angeführt von einem ganz in Schwarz gekleideten Mann mit strenger Miene, der auf einem kräftigen Andalusier ritt. Im flackernden Licht der Fackeln nahmen die kalten Züge des Ankömmlings den Ausdruck unerbittlicher Härte an. Langsam ritt er inmitten der schweigenden Menge auf den Käfig zu.
    »Das ist der Alkalde Don Martin Gomez Calvo!« flüsterte Hans ängstlich und respektvoll. »Ein schrecklicher Mann! Unter seiner hochmütigen Maske verbirgt er eine Wildheit, schlimmer noch als die der Banditen von Oca.«
    Tatsächlich wich die Menge vor ihm mit einer Eile zur Seite, die ihre Furcht offenbarte. Die Stadtknechte seines Gefolges hatten es nicht nötig, ihre Waffen zu gebrauchen; das Volk schien so viel Entfernung zwischen sich und den gefährlichen Mann bringen zu wollen, wie es nur konnte.
    Im Schritt ritt Don Martin um den Käfig herum, dann zog er seinen Degen und stach den Gefangenen mit

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