Cathérine und die Zeit der Liebe
Philippe …«
Cathérine hob den Kopf und traf auf den ängstlichen Blick des Malers. Mit leiser, inbrünstig überredender Stimme murmelte er: »Der hat Euch nicht vergessen, Cathérine … Ihr habt ihn verlassen, verhöhnt, beleidigt! Trotzdem liebt er Euch! Wenn man seinen unbändigen Stolz kennt, dann versteht man, was es ihn gekostet hat, diesen Brief zu schreiben, nicht wahr? Kommt mit mir zurück, Cathérine! Laßt mich Euch zu ihm zurückführen. Er hat Euch so viel Liebe zu geben, daß ihr Euren Schmerz vergeßt! Ihr werdet wieder Königin sein … und mehr noch! Kommt.«
Er versuchte, sie mitzuziehen, aber sie sträubte sich. Sanft schüttelte sie den Kopf: »Nein, Jan! Ich werde Königin sein, sagt Ihr, und noch mehr? Vergeßt Ihr die Herzogin?«
»Monseigneur liebt nur Euch. Nachdem die Herzogin ihm einen Sohn geschenkt hat, hat sie ihre Pflicht getan. Er verlangt nichts mehr von ihr.«
»Mein Stolz würde mehr verlangen! Was immer Messire Arnauds Fehler sind, trage ich noch seinen Namen und könnte mit diesem Namen nicht wie eine Gefangene an den Hof des Feindes gehen.«
»Ihr seid längst nicht mehr mit der Politik vertraut. Alles arrangiert sich, Cathérine. Bald werden König Karl VII. und Herzog Philippe Frieden schließen, daran zweifelt niemand!«
»Vielleicht! Aber ich habe einen Sohn. Ich muß ihn erziehen, wie es seinem Rang gebührt. Er soll seine Mutter nicht als anerkannte Mätresse Herzog Philippes sehen! Ich werde ihm diese vergoldete Schande nicht antun!«
»Ihr steht noch unter dem soeben erlittenen Schock. Schlaft erst ein wenig, Cathérine. Morgen ist wieder ein Tag, und Ihr werdet klarer sehen. Und Ihr werdet verstehen, daß Ihr es Euch schuldig seid, endlich das glänzende Leben zu führen, das Ihr zurückgewiesen habt. Ihr werdet unabhängige Ländereien besitzen, ein Fürstentum! Euer Sohn wird mächtiger sein, als Ihr es Euch jemals träumen ließet … Hört mich an! Glaubt mir: Der Herzog liebt Euch mehr denn je!«
Die junge Frau preßte beide Hände über die Ohren und schüttelte schmerzlich den Kopf.
»Schweigt, Jan! Heute abend möchte ich nichts mehr hören! Ich werde hineingehen … ein wenig schlafen, wenn ich kann. Verzeiht mir … Ihr könnt mich nicht verstehen.«
Die Hand zurückstoßend, die sich ihr von neuem entgegenstrecke, kehrte sie in den großen Saal zurück. Dieser war halbdunkel. Nur die Glut des herabgebrannten Feuers erhellte die überall auf dem Boden ausgestreckten Körper der schlafenden Reisenden. Cathérine sah Josse, der zusammengerollt wie eine Katze neben dem Feuerherd schlief … Nur Ermengarde, etwas abseits sitzend, war noch wach …
Als sie Cathérine auftauchen sah, erhob sie sich, aber die junge Frau gab ihr ein Zeichen, sich nicht zu bemühen. Sie wollte sich nicht unter all diese Leute mischen. Mehr als je hatte sie den zwingenden Wunsch, allein zu sein. Nicht, um über den Brief nachzudenken, den sie vor ihre Füße hatte fallen lassen, auch nicht, um ihr Schicksal zu beklagen. Diesmal wollte sie nachdenken, wollte versuchen klarzusehen … Der Ruf Philippes sollte zumindest dazu dienen, sie wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Zu dieser Stunde mußte der Kreuzgang leer sein. Trotz der dicken Mauern hörte man undeutlich die Stimmen der in der Kapelle singenden Barmherzigen Brüder … Den Mantel fest um sich wickelnd, stieß Cathérine die niedrige, auf den Wandelgang führende Pforte auf und trat unter die schweren Arkaden hinaus, deren gebrochene Bögen durch solide Strebepfeiler verstärkt waren, um die schneebedeckten Dächer zu stützen. Das grelle Mondlicht zeichnete die strenge Architektur des Klosters vor dem Hintergrund des winterlichen Gartens ab.
Langsam schritt sie weiter, stummer Schatten unter den Schlagschatten der Arkaden. Die Bewegung tat ihr gut. Es schien, daß sie sich wieder fing, je mehr der brennende Schmerz von vorhin allmählich dem Zorn wich … Nach einer Viertelstunde entdeckte Cathérine in sich einen wütenden, herrischen Wunsch nach Vergeltung! Fortunat hatte geglaubt, sie zerbrechen zu können, indem er ihr ihren liebeskranken Gatten zu Füßen einer anderen schilderte; hatte geglaubt, ihr Furcht einjagen zu können durch seine Beschreibung des Loses christlicher Frauen im maurischen Land! Aber er kannte sie nicht! Er wußte nicht, der Unglückliche, das Cathérine jederzeit zu allem bereit gewesen war, um das Ziel zu erreichen, das sie sich gesetzt hatte; bereit, die schlimmsten
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