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Cathérine und die Zeit der Liebe

Titel: Cathérine und die Zeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benzoni Juliette
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Ihr?«
    Sie wandte sich mit einem schwachen Lächeln um.
    »Ich muß einen Augenblick allein sein, mein Freund … Ich glaube, Ihr versteht das? Ich gehe nur in die Kapelle … Laßt mich!«
    Sie verließ den Saal, durchschritt den Hof und das Gewölbe, das den Weg überspannte. Sie wollte sich in die dem heiligen Jakob gewidmete Kapelle begeben, die auf der anderen Seite lag. Vor dem Abendbrot hatte man ihr die große Kirche des Klosters gezeigt, aber sie hatte zuviel Gold und Edelsteine an den majestätischen Jungfrauen gefunden, zu viele befremdende Gegenstände um die liegende Steinstatue des Königs Sancho des Starken, die alles andere erdrückte. Sie wollte einen friedlichen, kleinen Ort, wo sie sich und Gott wiederfinden konnte. Die Kapelle neben einem niedrigen Grabgewölbe, in dem unterwegs gestorbene Pilger begraben lagen, schien ihr genau der richtige Ort.
    Außer dem Standbild des heiligen Reisigen, vor dem eine Öllampe brannte, gab es nur einen steinernen Altar und abgetretene Fliesen. Es war kalt und feucht, aber Cathérine war jenseits aller körperlichen Empfindungen. Sie hatte plötzlich das Gefühl, gestorben zu sein … Da Arnaud sie verraten hatte, gab es keinen Grund mehr für ihr Herz zu schlagen! … Für eine unbekannte Frau hatte der Mann, den sie über alles liebte, mit einem Schlag die Bande zwischen ihnen zerrissen. Und Cathérine fand, daß ein Teil von ihr, der beste, wesentliche, abgetrennt war, fand sich allein inmitten einer endlosen Wüste. Ihre Hände waren leer, ihr Herz war leer, ihr Leben zerstört.
    Schwer sank sie auf dem kalten Stein in die Knie und vergrub das Gesicht in ihren zitternden Händen.
    »Warum?« stammelte sie. »Warum?«
    So blieb sie lange, völlig erschöpft, ohne zu denken, ohne zu beten, ohne selbst die Kälte zu spüren, die ihren Körper durchdrang. Nicht einmal Tränen hatte sie. In dieser schwarzen, eisigen Kapelle fühlte sie sich wie in einer Gruft, die sie nicht mehr verlassen wollte. Unfähig, nachzudenken, wälzte sie nur immer wieder diesen einzigen, quälenden Gedanken im Kopf: ›Er‹ hatte sie einer anderen wegen vergessen … Nachdem er ihr geschworen hatte, sie bis zum letzten Atemzug zu lieben, hatte er einer Feindin seiner Rasse, seines Gottes die Arme geöffnet … und sagte ihr jetzt zweifellos dieselben zärtlichen Worte, die Cathérine einst bebend von ihm gehört hatte … Würde sie sich jemals von diesem Gedanken lösen, dieses Bild aus ihrem Geist verbannen können? Würde sie nicht daran sterben? So versunken war sie in ihren Schmerz, daß sie die beiden festen Hände kaum fühlte, die sie hochzogen und ihr dann einen Mantel über die frierenden Schultern legten.
    »Kommt, Cathérine«, sagte die kernige Stimme Jan van Eycks. »Bleibt nicht hier! Ihr werdet Euch noch den Tod holen!«
    Sie sah ihn verstört an.
    »Den Tod? … Aber Jan, ich bin tot! … Man hat mich getötet!«
    »Redet keinen Unsinn! Kommt!«
    Er drängte sie zum Ausgang, doch als sie in dem alten, von einer in die Mauer eingelassenen Fackel erleuchteten Kreuzgang angekommen war, schob sie die stützenden Hände von sich und lehnte sich an die Mauer. Der mit Wucht in den Durchgang fegende Wind zerzauste ihr das Haar, aber seine heftigen Stöße taten ihr gut. »Laßt mich, Jan, ich … ich muß Atem holen!«
    »Atmet nur! Aber hört mich an, Cathérine … Ich ahne, wie Ihr leidet, aber ich verbiete Euch zu sagen, Ihr seid tot, Euer Leben sei beendet! Nicht alle Männer vergessen so leicht. Es gibt welche, die unvorstellbar lieben können.«
    »Wenn Arnaud mich vergessen konnte, wer wird mir sonst treu bleiben?«
    Ohne zu antworten, schnürte der Maler den Kragen seines Wamses auf und zog ein gefaltetes und versiegeltes Pergament heraus, das er der jungen Frau hinhielt:
    »Da! Lest! … Ich glaube, die Stunde ist gekommen, meinen Auftrag zu erfüllen! Lest! Diese Fackel gibt genügend Licht … Lest! Ihr müßt! Es ist wichtig …«
    Er schob das Pergament in die eisigen Hände der jungen Frau. Einen Augenblick drehte sie es hin und her. Es war mit schwarzem Wachs gesiegelt, in das ein fünffaches Lilienwappen eingedrückt war.
    »Öffnet!« flüsterte Jan.
    Sie gehorchte fast mechanisch, näherte die Augen dem Blatt, um die wenigen Worte der sehr kurzen Botschaft zu entziffern. Wie ein Kind buchstabierte sie:
    »Die Sehnsucht nach Dir läßt mir weder Rast noch Ruh. Komm zurück, meine süße Liebe, und ich werde Dich um Verzeihung bitten! …

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