Cathérine und die Zeit der Liebe
fragte sie schließlich. »Versteht Ihr, daß ich ihn unmöglich sterben lassen kann? Und ganz besonders nicht diesen schrecklichen Tod.«
Noch einen Augenblick schwieg Hans, seine Hände mit einer mechanischen Bewegung öffnend und schließend. Schließlich hob er den Kopf:
»Ich habe verstanden! Ich werde Euch unterstützen!«
»Warum solltet Ihr uns helfen?« fuhr Josse mit jäher Heftigkeit dazwischen. »Wir sind für Euch Unbekannte, und Ihr habt keinen Grund, Euer Leben für Unbekannte aufs Spiel zu setzen! Das Leben hat auch sein Gutes. Es muß Euch doch etwas daran liegen. Außer Ihr hofft, den Smaragd der Königin zu gewinnen …«
Hans stand so plötzlich auf, daß die Bank, auf der er gesessen hatte, mit lautem Krach hinter ihm umfiel. Er war hochrot geworden, und seine geballte Faust hob sich bis zu Josses Nase. »Sag das noch einmal, Freundchen, und ich schlage dich in Klumpen! Hans von Köln hat sich niemals für seine Dienste bezahlen lassen, merke dir das!«
Cathérine warf sich heftig zwischen die beiden Männer und zog mit ihrer kleinen Hand sanft die Josse bedrohende Faust zurück, die dieser übrigens völlig kaltblütig betrachtete.
»Verzeiht ihm, Meister Hans! Es ist heutzutage schwer, dem erstbesten Vertrauen zu schenken, aber ich glaube Euch. Es gibt zwei Augen, die sich nicht täuschen, und Ihr hättet nicht so gehandelt, wenn Ihr einen Hintergedanken gehabt hättet. Aber in gewissem Sinne hat Josse doch recht. Weshalb wollt Ihr Euer Leben für uns aufs Spiel setzen?«
Je länger die junge Frau sprach, desto mehr hatte Hans' Gesicht seine normale Farbe wieder angenommen. Als sie geendet hatte, widmete er seinem Gegner eine Grimasse, die zur Not als eine Art Lächeln gelten konnte. Dann zuckte er mit den Schultern und erwiderte:
»Wie soll ich das wissen? Sicherlich, weil Ihr mir gefallt, aber auch für mich selbst! Dieser Gefangene kommt aus dem Norden wie ich, wie Ihr. Und dann fängt er an, mich zu interessieren. Ich habe keine Lust, ihn von diesen blutrünstigen Tieren wie auf der Schlachtbank in Stücke schneiden zu lassen. Ich glaube, ich könnte danach nicht mehr ruhig schlafen. Und schließlich … hasse ich den Herrn Alkalden, der einem meiner Leute unter dem Vorwand, er habe gestohlen, die Hand hat abschlagen lassen. Mit Vergnügen würde ich ihm einen Streich spielen …«
Er ging in den Hintergrund des Raums, zog aus einer Ecke eine zusammengerollte Matratze und breitete sie nicht weit vom Feuer aus. »Legt Euch hier nieder und versucht, ein wenig zu schlafen«, sagte er, zu Cathérine gewandt. »In den dunklen Stunden nach Mitternacht werden wir auf die Türme steigen und versuchen, an den Käfig zu gelangen.«
»Glaubt Ihr, wir werden ihn befreien können?« fragte Cathérine mit hoffnungsvoll blitzenden Augen.
»Heute nacht? Das glaube ich nicht. Man muß sehen, wie das alles von oben aussieht, und man muß die Flucht auch vorbereiten. Aber vielleicht werden wir ihm etwas zu essen und zu trinken geben können!«
Die Stimme des Nachtwächters hatte schon geraume Zeit Mitternacht ausgerufen, als die Tür der Werkstatt sich geräuschlos öffnete, um drei Schatten, zwei große und einen kleinen, durchzulassen. Außer den am Fuße der Türme wachestehenden Soldaten war keine Menschenseele auf dem Platz. Nur eine Katze flitzte vor den nächtlichen Spaziergängern davon … Cathérine, Josse und Hans glitten in den Schatten des Kreuzgangs der Kathedrale in Richtung auf das Seitenportal del Sarmental, zu dessen kleiner Tür Hans einen Schlüssel besaß. Er baute nämlich eine Kapelle neben diesem Portal. Den Atem anhaltend, schritten sie langsam weiter, sorgfältig achtgebend, daß sie nicht über die Steine am Boden stolperten. Unter dem Arm trug Josse einen Krug Wasser, während Hans eine Speckseite und einen kleinen Laib Weißbrot bei sich hatte. Nur Cathérine trug nichts. Sie ging, die Augen auf den Boden geheftet, und wagte nicht, den Kopf zu dem dunklen Käfig zu heben, der sich in der klaren Nacht abzeichnete.
»Achtung!« warnte Hans, als sie das Portal über einen Treppengang erreichten. »Kein Geräusch in der Kirche. Sie hallt wie eine Trommel wider, und es sind immer zwei betende Mönche da. Sie lösen sich die ganze Nacht über ab. Gebt mir Eure Hand, Dame Cathérine, ich werde Euch führen.«
Sie schob ihre Hand in die rauhe Pranke des Baumeisters und ging folgsam mit, während Josse den Saum ihres Mantels ergriff. Die kleine, in das hohe Portal
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