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Cathérine und die Zeit der Liebe

Titel: Cathérine und die Zeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benzoni Juliette
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der Spitze. Der Gefesselte hob den Kopf und zeigte sein von einem wirren Bart umgebenes Gesicht. Ohne eigentlich zu wissen, warum, überkam Cathérine ein Schaudern, und sie trat, magnetisch angezogen, einige Schritte vor.
    In der Stille hörte man jetzt den Gefangenen klagen.
    »Ich habe Durst!« stammelte er auf französisch. »Durst!«
    Das letzte Wort hatte er hinausgeschrien, und dieser Schrei überdeckte den, der sich mit unwiderstehlicher Gewalt Catherines Kehle entrang.
    »Gauthier!«
    Sie hatte sofort die Stimme ihres verlorenen Freundes erkannt, und das dichte, wirre Haar konnte ihr seine Züge nicht mehr verbergen. Wahnsinnige Freude überkam sie, ließ sie sogar das tragische Los des Gefangenen vergessen. Sie wollte zu ihm, aber die schwere Hand des Baumeisters legte sich auf ihre Schulter und nagelte sie auf der Stelle fest.
    »Haltet Euch ruhig, um Himmels willen! Seid Ihr verrückt?«
    »Das ist kein Bandit! Es ist mein Freund … Laßt mich zufrieden!«
    »Dame Cathérine! Ich flehe Euch an!« mischte sich Josse ein, sich ihrer anderen Schulter bemächtigend. Hans zuckte zusammen.
    »Dame Cathérine?«
    »Ja«, rief Cathérine wütend, »ich bin eine Frau … die Gräfin Montsalvy! Was hat das schon zu besagen?«
    »Sehr viel! Es ändert alles!«
    Und ohne viel Federlesens griff sich der Baumeister Cathérine wie ein einfaches Paket, nahm sie unter den Arm, legte ihr die große Hand auf den Mund, um die junge Frau am Schreien zu hindern, und beförderte sie so zu einem hinter dem Kreuzgang der Kathedrale gelegenen niedrigen Haus, dessen Tür er mit dem Fuß aufstieß.
    »Folgt uns mit den Pferden!« hatte er Josse zugerufen, während er sich in die Menge stürzte. Man beachtete ihn gar nicht. Aller Blicke waren auf den Alkalden und den Gefangenen gerichtet. Während sie den Platz überquerte, hörte Cathérine den hohen Beamten mit hochmütiger Stimme Befehle geben, die sie aber nicht verstand. Sie war sich lediglich des zufriedenen Murmelns des Volkes und der fast wonnigen Seufzer bewußt, die sich allen entrangen … Die Völker aller Länder ähneln sich, und Cathérine erriet, daß der Alkalde ihnen ein besonderes Schauspiel versprochen haben mußte.
    »Was hat er gesagt?« wollte sie fragen, aber Hans' Hand erstickte ihre Worte. Er ließ sie auch nicht los. Nachdem sie in den dunklen, geräumigen Flur getreten waren, wandte der Deutsche sich an Josse, der hinter ihm eintrat:
    »Schließt die Tür!« befahl er. »Und kommt!«
    Der Gang öffnete sich auf einen Innenhof, in dem Steinblöcke aufgehäuft waren, und unter einer gedeckten Galerie bemerkte man einige roh zugehauene Statuen von Heiligen. Ein an einem Holzpfeiler aufgehängter Feuertopf gab etwas Licht, dessen Schein bis zum Rande eines alten römischen Brunnens in der Mitte des Hofs reichte. Dort angekommen, zeigte Hans Josse einen anderen Pfeiler, an dem dieser die Pferde festbinden konnte, und stellte dann Cathérine ziemlich unsanft auf die Füße.
    »So!« sagte er befriedigt. »Jetzt könnt Ihr schreien, soviel Ihr wollt!«
    Halb erstickt und rot vor Zorn, wollte sie ihm wie eine fauchende Katze ins Gesicht springen, aber er packte sie an den Handgelenken und hielt sie ohne Gewalttätigkeit fest.
    »Ich befehle Euch, mich gehenzulassen!« schrie sie. »Für wen haltet Ihr Euch? Wer oder was hat Euch erlaubt, mich derart zu behandeln?«
    »Die einfache Tatsache, daß Ihr mir sympathisch seid! Junger Herr oder Dame Cathérine, wie Ihr wollt, wenn ich Euch hätte gewähren lassen, wärt Ihr zu dieser Stunde überwältigt, von einem Dutzend Stadtknechte umgeben, gefesselt, in diesem Zustand ins Gefängnis gebracht und dort der Willkür des Alkalden ausgeliefert! Was wärt Ihr dann Eurem Freund noch nütze?« Catherines Zorn verebbte in dem Maße, wie der Baumeister seine klugen Worte von sich gab. Trotzdem wollte sie sich nicht so schnell geschlagen geben.
    »Es hätte keinen Grund gegeben, mich einzusperren. Ich bin eine Frau, wie man Euch sagte, ich bin keine Kastilianerin, sondern treue Untertanin König Karls von Frankreich und Edeldame der Königin Yolande, geboren in Aragon, obendrein …Da!« rief sie, in ihren Almosenbeutel greifend und den gravierten Smaragd der Königin herausziehend. »Hier ist der Ring, den sie mir geschenkt hat … Zweifelt Ihr immer noch? Der Alkalde könnte sich nicht weigern, mich anzuhören!«
    »Und wenn Ihr die Königin Yolande in Person wäret, könntet Ihr nicht sicher sein, diesen Klauen lebend

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