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Cathérine und die Zeit der Liebe

Titel: Cathérine und die Zeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benzoni Juliette
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eingelassene Tür knarrte unter der vorsichtigen Hand Hans' nicht. Die drei bemerkten im Chor die beiden betenden Mönche, die auf den Fliesen knieten und deren Tonsuren das gelbe Licht einer einzigen Öllampe reflektierten. Man hörte nur das Murmeln der beiden Stimmen, die sich in einem monotonen Singsang antworteten.
    Hans bekreuzigte sich schnell. Dann zog er seine Gefährten durch die Kapelle, die sich im dichten Schatten der Pfeiler öffnete. Sie glitten wie Geister zur Treppe des Turms. Aber dort war es stockfinster. Hans schloß die Tür und schlug dann Feuer. Fackeln lagen auf der Erde bereit.
    Er zündete eine von ihnen an, hob sie über dem Kopf empor, um die Wendeltreppe zu beleuchten.
    »ich werde sie wieder auslöschen, wenn wir oben angelangt sind!« sagte er. »Schnell jetzt …«
    Einer hinter dem anderen, stiegen sie die schmale Treppe hinauf, tasteten sie sich nach oben. Als Hans die Fackel mit dem Fuß austrat, waren alle außer Atem, so schnell waren sie hinaufgestiegen. Die scharfe Luft schlug Cathérine ins Gesicht. Man trat ins Freie, doch obgleich die Nacht klar und sternenübersät war, brauchten sie einige Zeit, um ihre Augen daran zu gewöhnen.
    »Paßt auf, daß Ihr nicht fallt«, warnte Hans. »Es liegen überall Steine und Bohlen herum.«
    Man befand sich tatsächlich auf der Hauptbaustelle des Deutschen, der über den viereckigen Türmen mit Blumenzierat versehene Spitzendächer errichtete, die seiner Begabung alle Ehre machten. Die riesige Winde hob sich mit ihrem großen Eichenrad gegen den Himmel ab, und Cathérine betrachtete sie mit dem Entsetzen, das man gegenüber einem Folterwerkzeug empfindet.
    Von der bedachten Hand Hans' geführt, kam sie bis zu dem durchbrochenen Geländer des Turms und beugte sich vor. An dem dicken Tau der Winde aufgehängt, pendelte ihr der Käfig sanft entgegen, genau unter ihr. Zwischen den Bohlen, aus denen er bestand, konnte sie den Gefangenen sehen. Mit erhobenem Kopf betrachtete er den Himmel, aber eine unaufhörliche Klage entrang sich seinen Lippen, so schwach, daß Cathérine vor Qual schauderte. Sie wandte Hans einen flehentlichen Blick zu.
    »Man muß ihn hochziehen, ihn aus diesem Käfig herausholen, und das sofort! Er ist verwundet!«
    »Ich weiß, aber es ist nicht möglich, ihn heute nacht hochzuziehen. Die Winde knarrt fürchterlich. Wenn ich versuchte, sie in Betrieb zu setzen, würde ich die Aufmerksamkeit der Soldaten wecken. Wir würden nicht weit kommen.«
    »Könntet Ihr nicht dafür sorgen, daß sie nicht knarrt?«
    »O ja. Man müßte sie einfetten und ölen, aber das kann man nicht in dunkler Nacht bewerkstelligen. Außerdem, wie ich Euch schon sagte, muß die Flucht dieses Mannes gut vorbereitet werden. Im Augenblick werden wir versuchen, ihm zu helfen. Ruft ihn an … aber leise. Wir dürfen die Soldaten nicht aufmerksam machen.«
    An Josses Gürtel geklammert, beugte Cathérine sich vor, bis sie beinahe das Gleichgewicht verlor, und rief leise:
    »Gauthier! … Gauthier! … Ich bin's! Cathérine …«
    Der Gefangene drehte langsam den Kopf zu ihr, aber nichts in seinem Verhalten deutete auf Überraschung hin.
    »Ca…thé…rine?« sagte er mit einer Stimme, die aus einem Traum zu kommen schien. Und dann nach einem Augenblick, währenddessen die junge Frau ihre eigenen Herzschläge zählen konnte: »Ich habe Durst!«
    Catherines Herz krampfte sich vor Kummer zusammen. War er bereits so schwach, daß die Worte ihn nicht mehr erreichten, daß er sie nicht mehr verstehen konnte? Sie unternahm noch einmal einen verzweifelten Versuch.
    »Gauthier! Ich flehe dich an! Antworte mir! Sieh mich an! ich bin Cathérine de Montsalvy!«
    »Wartet einen Augenblick«, flüsterte Hans, sie zurückziehend. »Geben wir ihm zuerst zu trinken. Dann werden wir sehen!«
    Flink befestigte er den schmalen Hals des Krugs an einer langen Holzstange, die er über das Geländer schob und langsam in der, Käfig hinunterließ, bis der Krug die Hände des angebundenen Mannes berührte, der, die Augen noch immer erhoben, nichts zu sehen schien.
    »Da, Freund!« befahl er. »Trinke!«
    Die Berührung des irdenen Wassertopfes schien bei dem Gefangenen eine wahre Erschütterung hervorzurufen. Er ergriff ihn mit einem dumpfen Brummen und begann gierig zu trinken, in großen Schlucken, wie ein Tier an der Tränke. Der Krug wurde bis auf den letzten Tropfen geleert. Als nichts mehr drin war, ließ Gauthier ihn los und schien wieder in seine Erstarrung

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