Cathérine und die Zeit der Liebe
zu entrinnen, um so weniger, als die Familie Aragon in Kastilien schlecht angesehen ist! Dieser Mann ist ein wildes Tier! Wenn er eine Beute in den Krallen hat, läßt er sie niemals wieder frei! Und was das Juwel betrifft, so würde es nur seine Begehrlichkeit wecken. Don Martin würde sich seiner bemächtigen und Euch in ein stinkendes Loch werfen lassen, bis Euer Freund hingerichtet ist.«
»Das würde er nicht wagen! Ich bin von Adel und Ausländerin! Ich könnte mich beschweren …«
»Bei wem? König Johann und sein Hof sind in Toledo. Und selbst wenn sie hier wären, würde Euch das gar nichts nützen. Der Herrscher von Kastilien ist ein Waschlappen, den jede Entscheidung ermüdet. Nur einer könnte Euch ein günstiges Ohr leihen: der wahre Herr des Königreichs, der Konnetabel Alvaro de Luna!«
»Dann werde ich zu ihm gehen …«
Hans hob die Schultern, holte einen auf einem Hocker stehenden Krug Wein und füllte drei Becher, die er zum Brunnen brachte.
»Wie wollt Ihr das anstellen? Der Konnetabel führt an den Grenzen Granadas Krieg. Der Alkalde und der Erzbischof sind die Herren der Stadt.«
»Dann werde ich den Erzbischof aufsuchen … Sagtet Ihr mir nicht, er sei es gewesen, der Euch hierhergebracht habe?«
»O doch. Monseigneur Alonso ist ein gerechter und guter Mensch, aber leidenschaftlicher Haß bringt ihn in Gegensatz zu Don Martin. Es würde genügen, wenn er um die Begnadigung Eures Freundes bäte, damit der Alkalde sie verweigerte. Versteht: Der eine hat die bewaffnete Streitmacht, während der andere nur über Mönche gebietet. Don Martin weiß das genau … und mißbraucht diese Lage. Aber seht selbst … Zuvor trinkt jedoch ein wenig Wein. Ihr werdet es nötig haben.«
Die Sanftheit des Tons überraschte Cathérine. Sie hob die Augen, und ihr Blick kreuzte den dieses ruhigen Mannes, der ihr Wein anbot. Ein Unbekannter, der sich als Freund betrug – und instinktiv suchte sie nach dem Grund. Spontane Sympathie? Zweifellos, aber auch die Bewunderung, die sie in den Augen der Männer zu lesen gewohnt war. Sie kannte ihre Macht, und offenbar würde dieser hier ihr nicht entrinnen. Mechanisch führte Cathérine den Zinnbecher an die Lippen. Der herbe und starke Wein erwärmte sie und tat ihr gut. Sie leerte den Becher bis zur Neige und reichte ihn Hans zurück. »Also … was soll ich sehen?«
Sie folgte ihrem Gastgeber in einen niedrigen, feuer- und lichtlosen Raum, in dem Strohsäcke mit Decken in einer Reihe ausgebreitet lagen. Ein kleines, durch zwei dicke, kreuzweise angeordnete Stangen vergittertes Fenster ging auf den Platz hinaus. Der Raum war erfüllt von Schweiß- und Staubgeruch.
»Die Arbeiter, die ich mitbrachte, schlafen hier«, erklärte Hans. »Aber im Augenblick sind sie alle auf dem Platz … Schaut mal durchs Fenster!«
Draußen hatten Lärm und Gelächter wieder eingesetzt. Cathérine bückte sich. Was sie sah, entrang ihr einen Ruf der Verblüffung. An einer der mächtigen Hebewinden, die auf den Türmen der Kathedrale angebracht waren, um die Steine hinaufzuhieven, war der große Käfig an der Kirche hochgezogen worden und schwebte jetzt auf der Höhe der dritten Etage. Unten hatte sich die gaffende Menge versammelt und versuchte, den Gefangenen mit allem, was ihr in die Hände fiel, zu treffen … Cathérine wandte sich um und begegnete dem Blick des Baumeisters, der auf ihre Reaktion lauerte.
»Warum hat man ihn da hinaufgezogen?«
»Um die Menge zu belustigen. So wird sie bis zur Stunde der Einrichtung die Leiden des Gefangenen genießen können, denn, wohlverstanden, man wird ihm weder zu trinken noch zu essen geben …«
»Und … wann?«
»Die Hinrichtung? In acht Tagen!«
Cathérine stieß einen Entsetzensschrei aus, während sich ihre Augen mit Tränen füllten.
»In acht Tagen? Aber bis dahin wird er längst tot sein …«
»Nein«, sagte hinter ihnen die rauhe Stimme Josses. »Der schwarzgekleidete Mann hat gesagt, der Bandit habe Bärenkräfte und halte es bis zur Hinrichtung, die ihm bevorstehe, gut aus …«
»Und wie wird diese Hinrichtung aussehen?« fragte Cathérine mit trockener Kehle.
»Warum sollen wir es ihr sagen?« wandte Hans ein. »Es wird genügen, wenn sie es am selben Tag erfährt.«
»Dame Cathérine kann den Dingen ins Auge sehen, Kamerad«, entgegnete Josse kühl. »Bilde dir nicht ein, daß du ihr etwas verbergen kannst!« Und sich an die junge Frau wendend: »In acht Tagen wird man ihn lebend abhäuten. Die
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