Cathérine und die Zeit der Liebe
Wespenschwarm. Darauf zogen sie mich splitternackt aus und warfen mich in die Schlucht. Normalerweise hätte ich mir das Kreuz brechen müssen, aber die Götter haben mich beschützt. Ein Bäumchen hat meinen Fall aufgehalten, und als die Kälte mich wieder belebte, fand ich mich in seinen Ästen hängend vor, eine sehr schlechte Lage allerdings. Ich zitterte vor Kälte, ohne einen Fetzen auf dem Leib, und die Nacht brach an. Ich fühlte mich so schwach wie ein Kind, aber ich wollte leben. Trotz meines Blutverlustes konnte ich denken. Sollte ich wieder zum Saumpfad hinaufsteigen? Das war gefährlich: erstens wegen meiner Schwäche, die den Aufstieg fast unmöglich machte, und dann wegen meiner Angreifer. Wer konnte sagen, ob sie sich nicht noch immer auf dem Weg postiert hatten, um von der nahenden Dunkelheit überraschten Reisenden aufzulauern? Diesmal würden sie mich töten, bevor sie mich in die Schlucht würfen …
So weit war ich in meinen Überlegungen gekommen, als ich im Tal unter mir einige Feuer aufflammen sah. Das machte mir Mut. Ich dachte, es handle sich zweifellos um Schäfer oder Holzfäller, stieg langsam, mich am Felsen und Brombeersträucher klammernd, hinab. Ich kann Euch nicht sagen, wie lange dieser Abstieg dauerte, es wäre mir völlig unmöglich! Bald hatte ich nichts mehr, woran ich mich halten konnte, als die roten Flammen. Wie ich unten angekommen bin, ohne mir sämtliche Knochen zu brechen, ist mir heute noch rätselhaft …«
»Und«, fragte Cathérine, »die Schäfer haben dich aufgenommen und gepflegt?«
»Aufgenommen, ja, gepflegt, auch … aber es waren keine Schäfer!«
»Was denn?«
»Die Männer eines Raubritters, der die Gegend heimsucht – des Seigneurs Vivien d'Aigremont.«
Cathérine runzelte die Stirn. Diesen Namen hatte sie schon gehört, von Schreckensrufen der Klosterbrüder von Roncevaux und der Bauern von Saint-Jean-Pied-de-Port begleitet.
»Wie hast du dich aus der Affäre gezogen?«
»Genaugenommen, habe ich mich nicht aus der Affäre gezogen. Dieser Vivien d'Aigremont ist ein wildes Tier, einer dieser großen Raubvögel mit stets blutigen Krallen. Er hat mich nur aufgenommen, weil ich ihm einen Handelswert zu besitzen schien. Man hat mich gepflegt, gewiß, aber auch in Ketten gelegt, sobald ich kräftig genug war, sie zu tragen. So führte man mich nach Pamplona, wo das Raubtier mich als Sklaven verkauft hat, sehr teuer, glaubt mir! Ich bin eine respektable Summe Taler wert«, fügte Gauthier mit bitterer Ironie hinzu. »Der Bischof der Stadt hat mich gekauft, ich sollte seinen Hundezwinger versorgen. Die großen Doggen dort waren blutrünstig, weniger allerdings als ihr Herr. An dem Tag, an dem ihnen ein junger, lebender Knabe zum Fraß vorgeworfen wurde, bin ich, nicht ohne Mühe, geflohen. Mich trieb die Furcht, wieder eingefangen zu werden, denn ich wußte, was mir dann blühte: Mein Los wäre dasselbe gewesen wie das des unglücklichen Kindes. Aber ich kannte das Land und seine verfluchte Sprache nicht. Ein Mann, den ich traf und der mich verstand, hat mein Verderben besiegelt: Es war einer der Banditen von Oca. Er brachte mich zu seinen Brüdern. Ich habe nur die Ketten gewechselt … und den Hundezwinger. Noch einmal schmiedete ich Fluchtpläne, als die Alguazils kamen. Wegen meiner Größe haben sie mich zweifellos für den Anführer gehalten. Übrigens, wie hätte ich verstehen sollen, was sie sagten? Ich bin grün und blau geschlagen und gefangengenommen worden. Das Folgende kennt Ihr wahrscheinlich besser als ich.«
»Gewiß, ich kenne es.«
Zart strich Cathérine mit der Hand über die rauhe Wange des Normannen.
»Du hast furchtbar gelitten, Gauthier, aber, siehst du, ich war immer überzeugt, daß der Tod dir nichts anhaben könne: Du bist unzerstörbar … wie die Erde selbst!«
»Die Erde kann beben, sich aufbäumen; ich bin nur ein Mensch wie alle anderen.«
Doch als Catherines Hand zögernd auf seinem Gesicht verharrte, schob er sie sanft fort und sagte:
»Und jetzt zu Euch, Dame Cathérine! Wenn Ihr wollt, daß ich begreife, müßt Ihr mir … alles sagen, versteht Ihr?«
Sie wich zurück, die Augen plötzlich gesenkt, straffte sich und setzte sich auf eine Bank neben dem Fenster. Ohnehin hatte sie nie daran gedacht, einer Erklärung auszuweichen. Hatte sie in dieser Nacht, auf der Höhe ihrer sinnlichen Narrheit, ihm nicht versprochen: »Morgen werde ich dir alles sagen?«
»Du sollst alles erfahren. Ich hatte nicht die
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