Cathérine und die Zeit der Liebe
Sollen wir wieder von Sire de Brézé anfangen? Wenn er Eure Schönheit in so feurigen Ausdrücken beschrieb, mußte er sie ja gut kennen. Wenn Ihr ihm nicht Hoffnungen gemacht hättet, hätte er sicher nicht angenommen, daß Ihr ihn heiraten würdet. Und er, der Verbannte, der Einsiedler von Calves, welche Qualen hat er wohl ausgestanden, als er die Nachricht erhielt? Denn Fortunat hat mit nichts hinter dem Berg gehalten, müßt Ihr wissen. Ich an seiner Stelle wäre entflohen, hätte Euch aus den Armen Eures schönen Ritters gerissen und Euch mit diesen meinen Händen getötet, ehe ich mich selbst gerichtet hätte!«
»Vielleicht, weil du mich liebst«, sagte Cathérine bitter. »Er dachte nicht wie du …«
»Weil er Euch noch mehr liebt! Mehr als sich selbst, weil er sein Leiden geringgeachtet hatte, um Euch ein neues Glück erleben zu lassen. Glaubt mir, die Flammen der Eifersucht, die Euch verzehren, sind nichts im Vergleich zu denen, die ihn in seiner furchtbaren Einsamkeit verzehrt haben müssen! Glaubt Ihr, ich kann das letzte Bild vergessen, das ich von ihm habe? Von diesem Gekreuzigten, der in die Sonne ging, beim Totengeläut, unter dem Jammern der Dudelsäcke, in den Händen eine andere Sonne?«
Bei der Erwähnung des grausamsten Tages ihres Lebens schlug Cathérine die Augen nieder, aus denen Tränen quollen. Sie schwankte.
»Schweig!« flehte sie. »Schweig, um der Barmherzigkeit willen!«
»Also«, sagte er in milderem Ton, »hört auf, mich an der Nase herumführen zu wollen. Hört auf, Euch selbst an der Nase herumzuführen! Warum versucht Ihr, uns beide zu belügen? Wegen dieser Nacht?«
Sie öffnete jäh die tränenglitzernden Augen.
»Vielleicht wegen dieser Nacht, jawohl! Vielleicht habe ich keine Lust mehr, nach Granada zu gehen!«
»Zweifellos gibt es Tage«, sagte Gauthier überdrüssig, »an denen Ihr mit Euch selbst kämpft, bald von der Eifersucht auf die Stadt getrieben, in der Euer Gatte lebt, bald von der Versuchung gepackt, aufzugeben, zu Eurem Kind, in die Ruhe und Sicherheit eines normalen Lebens zurückzukehren. Was sich aber letzte Nacht zugetragen hat, hat dem nichts hinzugefügt.«
»Warum sagst du das?«
»Weil ich es weiß. Letzte Nacht habt Ihr mir ein wunderbares Geschenk gemacht … unverhofft, aber Ihr habt es aus zwei Gründen getan: einmal aus Mitleid …«
»Gauthier!« protestierte Cathérine.
»Jawohl! Einmal aus Mitleid, weil Ihr mich unter allen Umständen heilen wolltet, aber auch aus Trotz. Ihr übtet damit eine Art Rache aus, und außerdem wolltet Ihr damit die Traumbilder weniger grausam machen, die Eure schlaflosen Nächte heimsuchen.«
»Nein!« sagte Cathérine mit tränenerstickter Stimme. »Das ist es nicht … jedenfalls nicht allein«, verbesserte sie sich. »In dieser Nacht bin ich glücklich gewesen, ich auch, ich schwöre es dir!«
Ein reizendes Lächeln entspannte das verzerrte Gesicht des Normannen.
»Vielen Dank! Ich glaube wahrhaftig, Ihr liebt mich, Dame Cathérine, aber –«, und sein Finger wies auf die Brust der jungen Frau, auf das große Goldkreuz mit Perlen, das der Erzbischof ihr persönlich vor einigen Tagen umgehängt hatte und das auf dem Samt ihres Gewandes funkelte, »– wagt bei dem Gott, den Ihr anbetet, zu schwören, daß Ihr ihn nicht liebt, ihn, Euren Gatten, Euren Herrn! Ihr wißt sehr wohl, daß Ihr ihn lieben werdet, solange Euch ein Atemzug zum Leben bleibt!«
Diesmal antwortete die junge Frau nicht. Sie senkte den Kopf und ließ ihren Tränen freien Lauf.
»Seht Ihr«, sagte Gauthier sanft. »Und von dieser verrückten, wunderbaren Nacht, deren Erinnerung ich bewahren werde, die zu vergessen ich Euch aber bitte, wollen wir nie wieder sprechen …«
»Du liebst mich also nicht mehr?« fragte Cathérine kleinlaut. Es folgte eine drückende Stille, dann sagte der Normanne mit harter, heiserer Stimme leise:
»Die Götter meiner Ahnen wissen, daß ich Euch nie mehr geliebt habe! Aber eben wegen dieser Liebe flehe ich Euch an zu vergessen. Wenn Ihr es nicht tut, wird mein Leben eine Hölle sein … und ich werde Euch verlassen müssen. Wir werden jetzt weiterziehen, werden uns auf den Weg machen, der uns ins Königreich Granada führen wird. Ich werde Euch helfen, Messire Arnaud wiederzufinden …«
»Es gibt einiges, was du noch nicht weißt. Vielleicht habe ich nicht mehr das Recht, Arnaud de Montsalvy als meinen Gatten anzusehen.«
»Was wollt Ihr damit sagen?«
»Daß ich vielleicht nicht das
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