Cathérine und die Zeit der Liebe
Absicht, dir die kleinste Tatsache zu verheimlichen. Der florentinische Minnesänger kam also zu uns und erzählte mir, er habe dich zugrunde gehen sehen …«
Der Bericht dauerte lange. Cathérine sprach langsam, unaufhörlich überlegend, was sie sagen wollte, um nichts zu vergessen. Sie ersparte ihm keine Einzelheit. Alles, was geschehen war: die Flucht von Montsalvy, die Wallfahrt zur Jungfrau von Puy, der Aufbruch mit den Pilgern, das Zusammentreffen mit Ermengarde de Châteauvillain und Josse Rallard, der Diebstahl der Rubine von Sainte-Foy, die Ankunft Jan van Eycks und der Brief des Herzogs von Burgund, die boshaften vertraulichen Mitteilungen Fortunats, die Flucht aus Roncevaux mit Josse, schließlich seine, Gauthiers, Rettung in Burgos und ihre gemeinsame Ankunft im roten Schloß des Erzbischofs Fonseca.
Gauthier unterbrach sie kein einziges Mal. Aber auch keinen Augenblick schweifte sein aufmerksamer Blick von ihr ab. Man hätte meinen können, er wollte sich vergewissern, ob sich die gesprochenen Worte in Übereinstimmung mit den Gedanken der jungen Frau befanden.
Als sie geendet hatte, stieß er nur einen tiefen Seufzer aus, stand auf, ging zum Fenster und stellte einen Fuß auf die Eckbank der Nische.
»Also«, sagte er langsam, »Messire Arnaud ist Gefangener der Mauren!«
Sofort überschwemmte zornige Eifersucht Cathérine wie eine bittere Woge.
»Gefangener aus eigenem Wunsch! Habe ich dir nicht erzählt, daß er dieser Frau aus eigenem Antrieb gefolgt ist? Habe ich dir die Worte Fortunats nicht berichtet? Die Ungläubige ist schöner als der Tag, hat er gesagt, und mein Gatte hat sich auf den ersten Blick in sie verliebt.«
»Und das habt Ihr geglaubt? Ihr, eine intelligente Frau? Ruft Euch die fanatische Anhänglichkeit Fortunats an seinen Herrn zurück! Erinnert Euch an die Besuche, die er jede Woche der Krankenstation von Calves machte, und das die ganze Zeit! Und Ihr wußtet nicht, da Ihr nicht da wart, wie groß seine Wut, sein Zorn waren, als der Seigneur de Brézé kam, als jeder glaubte, Ihr würdet wieder heiraten! Nie habe ich solche gehässigen Zornesausrufe, solche giftigen Schwüre gehört, daß Ihr für diesen Verrat zu bezahlen haben würdet. Fortunat haßte Euch, Dame Cathérine. Er hätte sonst etwas gesagt, um Euch zu kränken!«
»Darin hätte er nicht gelogen! Hat er nicht geschworen, verstehst du, hat er nicht bei seinem Seelenheil geschworen, daß Messire Arnaud im Palast seiner Prinzessin die Liebe erfuhr? Wer würde nur aus Haß bereit sein, einen Meineid zu leisten?«
»Mehr Leute, als Ihr glaubt! Auf jeden Fall ist es möglich, daß Messire Arnaud die Liebe da unten erfährt. Aber woher wißt Ihr, daß er sie erwidert? Im übrigen …«
Und Gauthier fuhr herum, blickte Cathérine scharf an, hoch über ihr aufragend. »Ihr wärt nicht aufgebrochen, Dame Cathérine, hättet diese verrückte Reise nicht unternommen, wenn Ihr nicht noch hofftet. Ihr wärt nach Montsalvy zurückgekehrt, vielleicht an den Hof König Karls, wo der Seigneur de Brézé Euch mit offenen Armen empfangen hätte … sofern Ihr Euch nicht der Liebe des Großherzogs des Abendlandes erinnert hättet. Eine Frau wie Ihr gibt sich nie geschlagen, das weiß ich besser als irgendeiner. Und daß Ihr glaubtet, Messire Arnaud sei Euch für immer verloren, das könnt Ihr anderen erzählen, Dame Cathérine! Ich werde das nie schlucken!«
»Bist du ganz sicher, daß ich ihm nicht nur seinen Verrat vorwerfen will? Mich an seiner Verwirrung weiden will, wenn ich ihn, einen Christen, einen Hauptmann des Königs, zu Füßen einer Mulattin gurren sehe, und daß ich dann …«
Jäh wurde Gauthier rot vor Zorn.
»Haltet mich nicht für einen Schafskopf, Dame Cathérine! Ihr wolltet einzig und allein dorthin reisen, um Eurem Gatten eine Szene zu machen?«
»Und warum nicht?«
Auf den Zehenspitzen stehend, mit verschränkten Armen, das Köpfchen hoch erhoben, sah sie wie ein junger Hahn in Kampfstellung aus. Zum erstenmal standen sie und der, der sie in der vergangenen Nacht so leidenschaftlich besessen hatte, sich wie Feinde gegenüber.
»Weil es nicht wahr ist. Weil Ihr stets nur ihn geliebt habt, weil Ihr Euch vor Wut verzehrt, ihn in den Händen einer anderen zu wissen, und weil Ihr weder Rast noch Ruhe haben werdet, und müßtet Ihr die schlimmsten Qualen erleiden, bis Ihr ihn wiederhabt … zurückerobert habt!«
»Damit er seinen Verrat büße!«
»Mit welchem Recht? Wer hat denn zuerst verraten?
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