Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
Vespasian so viel in Erfahrung bringen wie möglich. Als der Zenturio ins Zelt geleitet wurde und vor dem Schreibtisch des Legaten Haltung annahm, war die Nacht bereits angebrochen. Vespasian erledigte im flackernden Schein der Öllampen noch einige Schreibarbeiten. Als die lederne Zeltklappe wieder herabgefallen war, legte er die Feder weg und verschloss das Tintenfass.
»Wie ich gehört habe, hattet ihr eine anstrengende Reise. «
»Jawohl, Herr.«
»Zahlreiche Verluste?«
»Acht Tote, sechs Verwundete liegen noch im Lazarett der Neunten.«
»Die Verluste werden aus dem Rekrutenkontingent ersetzt. «
»Jawohl, Herr.«
»Und jetzt will ich die ganze Geschichte hören, Zenturio. Lass nichts aus und berichte mir ohne Beschönigungen, was geschehen ist.«
Mit durchgedrücktem Rücken, den Blick starr auf die Zeltwand über dem Kopf des Legaten gerichtet, berichtete Macro mit monotoner Stimme vom Marsch, vom Überfall und vom darauf folgenden Tagesmarsch nach Gesoriacum, während Vespasian aufmerksam lauschte. Als der Zenturio geendet hatte, musterte ihn Vespasian scharf.
»Und du hast niemandem von deinem eigentlichen Auftrag erzählt? «
»Niemandem, Herr. Meine Befehle waren in dieser Hinsicht unmissverständlich.«
»Dann können wir also davon ausgehen, dass die Angreifer über keine vertraulichen Informationen verfügten ?«
»Jawohl, Herr.« Macro nickte, dann tat er seine persönliche Meinung zu der Angelegenheit kund. »Das waren keine gewöhnlichen Räuber. Diese Männer haben einen exzellenten Hinterhalt gelegt und gekämpft wie gute Soldaten. Offenkundig hatten sie es auf den kaiserlichen Sekretär abgesehen.«
»Verstehe.« Vespasian nickte und verbarg seine Enttäuschung; der Zenturio hatte ihm im Grunde nichts Neues berichtet. Wenn er Macro Glauben schenken konnte, hatten die Angreifer aus einer anderen Quelle von der Unternehmung erfahren. Dies dürfte die Zahl der Verdächtigen einschränken – falls der Zenturio die Wahrheit gesagt hatte.
»Zenturio, darf ich dich noch einmal um deine persönliche Meinung bitten – ganz unter uns?«
Macro trat unruhig von einem Bein aufs andere. Er hätte gern mit ›Das hängt davon ab‹ geantwortet, doch ein Soldat stellte einem höheren Offizier gegenüber keine Bedingungen, und deshalb musste er Vespasians Verlangen nachkommen, ohne mit seinen Bedenken ganz hinter dem Busch zu halten. »Ja, Herr, ich denke schon.«
»Hältst du es für klug, Britannien erobern zu wollen?«
»Das ist hohe Politik, Herr«, erwiderte Macro vorsichtig. »Viel zu hoch für mich. Ich nehme an, der Kaiser und sein Stab haben alles durchdacht und die richtige Entscheidung getroffen. Dazu habe ich nicht einmal eine Meinung. «
»Ganz unter uns, sagte ich.«
»Jawohl, Herr.« Insgeheim verfluchte Macro den Legaten dafür, dass er ihn in diese peinliche Lage brachte. Nichts, was ein Untergebener sagte, war jemals vertraulich, falls der Höhergestellte später seine Ansicht ändern sollte.
»Nun?«
»Ich weiß einfach nicht genug, um eine Meinung zu äußern, die dir von Nutzen sein könnte, Herr.«
Vespasian sah ein, dass er so nicht weiterkam. Hier war eine direktere Vorgehensweise angebracht, die deutlich machte, dass der Zenturio seiner Verantwortung enthoben war.
»Was reden denn die Soldaten so?«
»Die Soldaten, Herr? Nun, einige machen sich Sorgen, das ist nur natürlich – wir alle kommen dem Wasser nur dann gern nahe, wenn es ums Trinken geht. Auf See ist alles möglich. Und dann erzählt man sich so allerlei über die Gefahren, die uns erwarten.«
»Vor der gegnerischen Armee fürchtet ihr euch nicht?«
»An und für sich nicht, Herr. Wir machen uns bloß Sorgen, wie es jeder machen sollte, der sich einem unbekannten Gegner gegenübersieht. Das hat mehr mit den Druiden zu tun, Herr. Und mit deresgleichen.«
»Was ist denn mit den Druiden?«
»Die Männer haben gehört, es stünde in ihrer Macht, Dämonen heraufzubeschwören.«
»Und das glaubst du?«
»Selbstverständlich nicht, Herr«, erwiderte Macro gekränkt. »Wer auch nur über einen Funken Verstand verfügt, weiß, dass das reiner Blödsinn ist. Aber du weißt ja, wie abergläubisch die Männer sind.«
»Vor gar nicht so langer Zeit warst du einer der ihren, wenn ich mich recht erinnere.«
»Jawohl, Herr.«
»Aber du bist nicht abergläubisch wie sie?«
»Nein, Herr. Meinen Aberglauben habe ich weitgehend abgelegt, als ich Zenturio wurde. Ein Zenturio hat keine Zeit für solche
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