Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
abgeschlossen ist … dann sehen wir weiter. Einstweilen brauche ich einen Schreiber dringender als einen Stellvertreter. Piso wird dir morgen alles Nötige zeigen.«
»Ja, Herr.«
»Und jetzt solltest du wohl besser ruhen, du wirst den Schlaf brauchen. Du kannst gehen.«
»Ich danke dir, Herr.«
»Piso werde ich sagen, dass er dich nach Abschluss der morgigen Ausbildung einarbeiten soll.«
»Ja, Herr. Ich freue mich darauf.«
5
Zu Catos Erstaunen verging die Zeit wie im Flug. Der Tag hatte einfach nicht genug Stunden, um all das zu erledigen, was die Armee von ihm verlangte. Abgesehen von Bestias unerbittlichem Drill musste Cato allabendlich Verwaltungsarbeiten erledigen und anschließend seine Ausrüstung für den nächsten Morgen gründlich reinigen. Bestia hatte Augen wie ein Falke, und jeder Schmutzfleck, jeder gerissene Riemen und jeder fehlende Zierknopf wurde augenblicklich bemerkt und mit Strafdienst oder Prügel mit dem Stock geahndet. Einen Rebstock zu schwingen war eine Art Kunst, wie Cato festgestellt hatte. Es kam dabei darauf an, möglichst großen Schmerz bei möglichst geringen dauerhaften Schäden zuzufügen – Soldaten sollten diszipliniert werden, nicht hospitalisiert. Bestia beschränkte seine Hiebe folglich auf die fleischigen Körperregionen wie Beine, Schultern und Gesäß. Als Cato eines Tages vergaß, den Helmriemen strammzuziehen, bekam er Gelegenheit, Bekanntschaft mit Bestias Meisterschaft zu machen. Bestia stürzte sich auf ihn und riss ihm den Helm vom Kopf – wobei er beinahe ein Ohr hätte mitgehen lassen.
»Das Gleiche wird dir auch in der Schlacht passieren, du verdammter Idiot!«, brüllte er Cato an. »Irgendein verdammter Germane wird dir den Scheißhelm abreißen und dir sein Schwert in den Schädel rammen. Willst du das?«
»Nein, Herr.«
»Mir persönlich ist es egal, was aus dir wird. Aber ich werde nicht zulassen, dass die Gelder, die die Steuerzahler in dich investiert haben, nur deshalb vergeudet werden, weil du ein so nachlässiger Scheißkerl bist. Dich können wir ersetzen, aber ein toter Soldat bedeutet auch verlorene Ausrüstung, und ich werde nicht zulassen, dass du dem Quartiermeister einen Vorwand lieferst, mir Vorhaltungen zu machen!«
Bestia schwang seinen Stock und versetzte Cato, ehe der sich’s versah, einen heftigen Schlag, worauf seine linke Schulter und sein linker Arm taub wurden. Der Weidenschild entglitt den taub gewordenen Fingern und fiel zu Boden.
»Wenn du noch einmal vergisst, den Helm zu befestigen, dann kriegst du eins auf den Scheißkopf.«
»Jawohl, Herr«, japste Cato.
Zu Beginn eines jeden Tages mussten die Rekruten in voller Montur und mit vollständiger Ausrüstung antreten, sobald der Weckruf der Trompete durch die Festung erschallte. Auf den Appell folgte ein aus Gerstenbrei, Brot und Wein bestehendes Frühstück, das ihnen von einem mürrischen Kochgehilfen, der zusammen mit den Rekruten hatte aufstehen müssen, in den Essnapf geklatscht wurde. Dann kamen die Exerzierübungen. Marschieren im Gleichschritt, anhalten, abbiegen, auf Befehl kehrtmachen. Jeder Fehltritt, jede falsche Kehrtwende und jede unkoordinierte Bewegung löste bei Bestia und seinen Ausbildern einen Strom von Verwünschungen und Stockschlägen aus. Irgendwann konnten die Rekruten seine Befehle prompt umsetzen, und die Ausbildung ging zur nächsten Stufe über – den Formationswechseln. Von enger Formation zu weiter, von der Reihe zur Kolonne und wieder zurück. Die Rekruten lernten, in Keil- und Schildkrötenformation zu marschieren – und zwar mitsamt der schweren Übungsausrüstung.
Nach dem Mittagessen wurde es noch schlimmer, da die Ausbilder mit ihren Schwadronen dann zum Ausdauertraining übergingen. Im ersten Monat marschierten sie den Nachmittag lang außen um den Stützpunkt herum, wieder und wieder, bis die blank polierte Wintersonne in den grauen Dunstschleier herabsank und Bestia sie im selben unerbittlichen Tempo wie zuvor endlich durchs Haupttor zurückführte. In den ersten Wochen scherten zahlreiche Rekruten aus der Reihe aus, worauf sich die Ausbilder auf sie stürzten und sie ans Kolonnenende prügelten.
Nach dem Vorfall im Schlafraum bemühte sich Cato, Pulcher nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen, und war es ganz zufrieden, dass dieser glaubte, er habe Angst vor ihm. Und Angst hatte er tatsächlich, gespeist von der nüchternen Überlegung, dass eine offene Konfrontation mit Pulcher nur einen Ausgang nehmen konnte – nämlich
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