Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
– schließlich führen wir ja bloß eine freundschaftliche Unterhaltung bei einem angenehmen Mahl –, glaubst du nicht, die Wiederherstellung der Senatsherrschaft wäre der gegenwärtigen Lage vorzuziehen ?«
»Eine interessante Frage, Flavia. Sehr interessant. Natürlich gibt es gute Gründe für beide Arrangements. Ich bin sicher, es gibt zahlreiche Talente, auf die man zurückgreifen könnte, wenn der Senat seine frühere Macht wiedererlangen sollte, doch ich fürchte, dass es den meisten Senatoren eher um den eigenen Machterwerb zu tun ist, als dass sie Rom wahrhaft dienen wollen. Denk bloß mal an diese hässliche Geschichte, die sich vergangenes Jahr in Dalmatien zugetragen hat. Der arme Claudius war gerade als Kaiser bestätigt worden, als es auch schon zum Aufstand kam. Hätten sich Scribonianus und seinen Mitverschwörern noch ein paar mehr Legionen angeschlossen, wer weiß, wie es dann ausgegangen wäre? Wir hatten Glück, dass Narcissus’ Agenten den Aufstand schon im Ansatz niedergeschlagen haben.
»Im Ansatz niedergeschlagen?«, meinte Flavia. »Das ist ein hübscher Euphemismus für Dutzende von Toten. Bevor ich von Rom wegging, habe ich einige gute Freunde verloren. Du doch bestimmt auch. Und immer noch werden die überlebenden Mitverschwörer gejagt. Keine angenehmen Zeiten.«
»Das haben sie sich selbst zuzuschreiben, Flavia. Bevor man sich auf ein solches Spiel einlässt, sollte man sich klar machen, um welchen Einsatz es geht. Nämlich um alles oder nichts. Sie haben verloren, und Claudius hat gewonnen. Glaubst du etwa, sie hätten größere Nachsicht gezeigt, wenn es anders ausgegangen wäre?«
»Nein. Das hätten sie wohl nicht.« Sie nickte nachdenklich.
»Nicht, dass sie überhaupt eine Chance gehabt hätten«, fuhr Vitellius fort. »Diese Narren waren so naiv, an den Patriotismus der Legionäre zu appellieren anstatt an ihre Geldbeutel. Als Narcissus mit Claudius’ Gold auftauchte, war alles vorbei.«
Flavia blickte ihm tief in die Augen. »Dann ist die Moral aus der Geschichte anscheinend, dass die Armee nur so lange loyal ist, wie die kaiserlichen Schatztruhen gefüllt sind.«
»Aber Flavia!« Vitellius lachte. »Ich hätte es nicht besser ausdrücken können! Doch ich fürchte, du hast Recht. Letzten Endes läuft es darauf hinaus, wer den Soldaten mehr Geld zu bieten hat. Abstammung, Weisheit und Integrität bedeuten nichts mehr. Aufs Geld kommt es an. Wenn man Geld hat, scheint einem die Sonne, hat man keins, ist man aufgeschmissen.«
»Na ja.« Flavia trank einen Schluck Wein. »Ich hoffe, unser Kaiser hat genug davon, um sich an der Macht zu halten. Sonst ist es bloß eine Frage der Zeit, bis sich die Armee nach einem wohlhabenderen Gönner umschaut.«
»Ja«, meinte Vitellius. »Bloß eine Frage der Zeit. Aber Schluss mit der Politik, es reicht. Du bist eine interessante Frau. Ich wünschte, wir hätten uns schon früher mal ausgiebig unterhalten.«
»Das wäre auch mir eine Freude gewesen. Allerdings hält mich Vespasian meistens unter Verschluss, in Anbetracht der Umstände, unter denen wir hier leben.«
»Und ich bin sicher«, sagte Vitellius und beugte sich dichter an sie heran, »dass du Mittel und Wege findest, diese Einschränkungen gegebenenfalls zu umgehen.«
»Gewiss … sollte ich es denn wünschen.«
»Hast du ihn deshalb geheiratet?«
Flavia schaute hoch und bemerkte, dass er sie bewundernd anschaute, während ein verführerisches Lächeln über seine Züge glitt.
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe Vespasian geheiratet, weil ich ihn liebe. Außerdem hat er ein kräftigeres Rückgrat, als du vielleicht meinst. Du würdest gut daran tun, das nicht zu vergessen.«
Der Tribun runzelte die Stirn und nahm die Abfuhr schweigend hin. Dann schenkte er sich Wein nach, ohne Flavia davon anzubieten, und hob das Glas.
»Auf deinen Gemahl«, sagte er leise. »Was du über ihn gesagt hast, mag durchaus zutreffen … für den Moment.«
Flavia schaute hoch und lächelte strahlend, als Vespasian sich erhob. Vitellius blickte sich rasch um und sah, dass der Legat sich mit dem frisch ausgezeichneten Optio näherte. Seufzend wälzte er sich herum und stand auf.
»Ich habe mich bereits gefragt, wann du den armen Jungen herbringen würdest«, meinte Flavia lachend und streckte Cato beide Hände entgegen. Der Optio griff zweifach zu und schluckte.
»Verehrte Flavia?«
»Die bin ich. Und wie geht es meinem kleinen Cato? Sieht so aus, als wäre er gar nicht mehr
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