Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
als ein Mittel, mit dem jeder, der listig genug war, sich die Dinge nach den eigenen Plänen zurechtzubiegen, seine Ziele erreichen konnte. Wer zu dumm war, das zu erkennen, war einfach nur ein Werkzeug, das von einem klügeren Kopf benutzt werden wollte.
Der übrigens auch weiblich sein konnte, überlegte er, als er an die Raffinesse dachte, mit der Flavia hinter dem Rücken ihres Mannes ihr Spiel gegen den Kaiser eingefädelt hatte. Ohne die brutalen Methoden von Narcissus und seinen kaiserlichen Agenten, zum Beispiel Vitellius selbst, hätten sie und ihre Freunde vielleicht Erfolg gehabt. Vitellius rief sich den Mann in Erinnerung, den man im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode prügeln musste, bevor er ihren Namen preisgab. Er war gleich danach hingerichtet worden, und nun war Vespasian der Einzige, der außer Vitellius selbst noch von Flavias Verwicklungen wusste.
»Eine Erneuerung Karthagos«, sann Nisus leise. »Davon habe ich bisher nur zu träumen gewagt.«
»Aber erst müssen wir Claudius beseitigen«, erklärte Vitellius ruhig.
»Ja«, flüsterte Nisus. »Aber wie?«
Vitellius sah ihn aufmerksam an, als überlegte er, wie weit er in dieser Richtung gehen konnte. Er trank noch einen Schluck Wein und sprach dann weiter, die Stimme kaum lauter als die des Arztes. »Es gibt eine Möglichkeit. Und du kannst mir helfen. Ich muss eine Botschaft zu Caratacus befördern. Wirst du das für mich tun?«
Der Moment der Entscheidung war gekommen: Nisus legte den Kopf in die Hände und versuchte nachzudenken. Der Wein vereinfachte diesen Prozess, weil er alle vernünftigen Überlegungen blockierte, die seinen Gefühlen und Träumen zuwiderliefen. Ohne große Mühe konnte er sich klarmachen, dass Rom ihn niemals wirklich akzeptieren würde. Dass man Karthago immer mit Verachtung behandeln würde. Dass die Ungerechtigkeiten des Imperiums endlos weitergehen würden – es sei denn, Claudius wurde beseitigt. Die Wahrheit war klar und unbequem. Betrunken, wie er war, erfüllte die Aussicht auf das, was er zu tun hatte, ihn dennoch mit kaltem Entsetzen.
»Ja, Tribun. Ich werde es tun.«
32
»Wo ist denn dein karthagischer Freund?«, fragte Macro. Er saß, die Beine auf den Schreibtisch gelegt, da und bewunderte die Aussicht vom Zelt zum Fluss hinunter. Das Abendessen war beendet, und zahllose Insekten schwirrten im schimmernden Licht. Macro klatschte sich auf den Schenkel und lächelte, als er die Hand hob und darunter ein winziger roter Fleck und der zerquetschte Rest eines Moskitos zum Vorschein kamen. »Ha!«
»Nisus?«, fragte Cato von dem Brief aufschauend, den er an seinem Feldschreibtisch schrieb, und seine Feder verharrte über dem Tintengefäß. »Den habe ich seit Tagen nicht mehr gesehen, Herr.«
»Den wären wir also Gott sei Dank los, kann ich da nur sagen. Glaub mir, Junge, Leuten von seiner Art geht man am besten aus dem Weg.«
»Von seiner Art?«
»Du weißt schon, Karthager, Phönizier und dieses ganze windige Händlergesocks. Denen kann man nicht trauen. Die sind immer auf der Suche nach irgendeinem neuen Trick.«
»Nisus wirkte aber völlig ehrlich, Herr.«
»Unsinn. Der war hinter irgendwas her. Sobald er merkte, dass bei dir nichts zu holen ist, war er auf und davon. «
»Mir will eher scheinen, er ist auf und davon, wie du das eben ausdrücktest, weil das Gespräch in der Nacht, als er für uns gekocht hat, so blöd gelaufen ist.«
»Wie du meinst.« Macro zuckte mit den Schultern, die Hand über einem weiteren lästigen Insekt in der Schwebe, das gefährlich dicht über seinem Arm schwirrte. Er schlug zu, aber daneben, und die Mücke schoss mit einem schrillen Sirren davon. »Saukerl!«
»Das ist wohl ein wenig übertrieben, Herr.«
»Ich meinte das Insekt, nicht deinen Freund«, entgegnete Macro gereizt. »Wobei beide allerdings ziemlich gleich lästig sind.«
»Wenn du es sagst, Herr.«
»Allerdings, und jetzt brauche ich eine kleine Erfrischung! « Er stand auf und drückte, die Hände in die Hüften gestemmt, den Rücken durch. »Ist für die Nacht alles klar?«
Die Zenturie war mit der Bewachung des Ostwalls an der Reihe; die letzten Verluste in der Schlacht bedeuteten, dass jeder Wächter etwa doppelt so lange Dienst schieben musste wie normal. Das war ungerecht, doch Cato hatte inzwischen gelernt, dass Gerechtigkeit nicht gerade eine Manie des militärischen Denkens war.
»Jawohl, Herr. Ich habe den Plan mit den Wachwechseln ins Hauptquartier geschickt und gehe
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