Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
sicherheitshalber selber die Runde.«
»Gut, ich möchte nicht, dass einer von unseren Leuten ein kleines Nickerchen einlegt. Nach dem ganzen Ärger mit den Briten sind wir auch so schon unterbesetzt. Da können wir es uns nicht leisten, dass jetzt auch noch welche von uns gesteinigt werden.«
Cato nickte. Schlafen während des Wachdienstes wurde wie so viele andere Verfehlungen im Dienst mit dem Tod bestraft.
»Nun denn, falls irgendjemand mich braucht, ich bin im Messezelt der Zenturionen.«
Cato sah ihm nach, wie er mit lebhaftem Schritt in der Dämmerung verschwand. Es war den Zenturionen gelungen, eine gewisse Zahl von Weinkrügen aus dem Frachtschiff eines Kapitäns abzustauben. Die Sendung war für einen Tribun der Vierzehnten bestimmt gewesen, doch der Mann war eines Nachts ertrunken, als er total betrunken schwimmen gegangen war, und nun hatten die Zenturionen seine Nachschublieferung einfach einkassiert, bevor der begriffsstutzige Kapitän auf den Gedanken kam, die Ware an den Absender zurückzuschicken. Wenn der gallische Weinhändler endlich die Nachricht erhielt, dass sein Kunde definitiv zahlungsunfähig war, war von dem Wein schon lange nichts mehr übrig.
Allein im Zelt erledigte Cato eilig die Verwaltungsarbeiten des Tages, ohne unterbrochen zu werden, und räumte die Schriftrollen anschließend weg. Er freute sich, dass er endlich ein wenig Frieden hatte. So sehr er den Zenturio auch mochte und bewunderte, war Macro doch nervtötend gesellig und wollte sich beharrlich zu den unpassendsten Zeiten mit ihm unterhalten. Das ging so weit, dass Cato oft insgeheim hilflos mit den Zähnen knirschte, während Macro ihn mit seinem Soldatengeschwätz vollbrabbelte.
Cato war sich schmerzlich bewusst, wie schwer es ihm selbst jetzt, nach mehreren Monaten in der Armee, immer noch fiel, einen Schwatz mit seinen Mitsoldaten zu halten. Die mühelose Männerfröhlichkeit der Legionäre irritierte ihn schrecklich. Diese primitiven, direkten, peinlichen Witzeleien waren ihnen zur zweiten Natur geworden, doch Cato fiel es schwer, sich diesem Ton anzupassen, nicht zuletzt wegen seiner Befürchtung, dass man jeden Versuch seinerseits, sich des angesagten Jargons zu bedienen, sofort durchschauen würde. Es wäre entsetzlich peinlich, wenn der Eindruck entstünde, dass er sich bei den gemeinen Soldaten einschleimen wollte.
Gelegentlich versuchte Cato, sein Gespräch mit Macro zu anregenderen Themen zu lenken. Doch der verständnislose und manchmal auch genervte Geischtsausdruck, der auf diese Bemühungen folgte, ließ seine Zunge schnell erlahmen. Was Macro an geistigem Anspruch vermissen ließ, machte er mit seiner großzügigen Wesensart, Mut, Ehrlichkeit und moralischer Integrität mühelos wett, doch gerade jetzt brauchte Cato einfach jemanden, mit dem er reden konnte – insbesondere jemanden wie Nisus. Er hatte ihren Ausflug zum Fischen genossen und gehofft, dass sich zwischen dem Karthager und ihm eine echte Freundschaft entwickeln könnte. Die stille Empfindsamkeit des Wundarztes war Balsam für sein gequältes Inneres. Doch Nisus war von Macros raubeiniger Feindseligkeit vertrieben worden. Schlimmer noch, er schien jetzt unter Tribun Vitellius’ Einfluss zu geraten. Bei wem konnte Cato seine Gefühle denn nun noch loswerden?
Cato fragte sich, ob die Antwort vielleicht darin bestand, ein Tagebuch zu führen und seine Probleme dem Papier anzuvertrauen. Besser noch, er würde Lavinia schreiben und seine Rolle als gequälter Dichterphilosoph, mit der er sie immer umworben hatte, noch einmal gründlich ausschlachten. So real die traumatische Erfahrung der Schlacht für ihn auch gewesen war, war er doch selbstanalytisch und intelligent genug, um zu verstehen, dass er daraus in gewisser Weise auch etwas gelernt hatte. Mit dieser Erfahrung konnte er sich eine Ausstrahlung rätselhafter Weltmüdigkeit zulegen, mit der Lavinia gewiss zu beeindrucken war.
Sorgfältig eine leere Schriftrolle mit dem Unterarm aufrollend, tauchte Cato seine Feder ins Tintenfass, strich die überschüssige Tinte ab und setzte die Spitze auf dem weißen Bogen an. Noch reichte das Restlicht aus, bevor er sich mit dem trüben Schimmer einer Öllampe behelfen musste, und so nahm er sich Zeit, seine Gedanken sorgfältig zu ordnen. Die Feder berührte die Schriftrolle, und säuberlich notierte er den förmlichen Gruß:
Von Quintus Licinius Cato an Flavia Lavinia Grüße
Die Feder stockte endlos lange, während Cato mit der vertrauten
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