Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
das römische Reich in gewisser Weise ein Ende der Geschichte bedeutet, da es eine Verschmelzung der besten Qualitäten darstellt, die Menschen mit sich bringen, verbunden mit dem Segen der mächtigsten Götter. All unsere Kriege unternehmen wir in der Absicht, jene, die die Vorteile des Imperiums genießen, vor den Gefahren zu beschützen, die die Barbaren jenseits unserer Grenzen darstellen.«
»Genau«, stimmte Macro triumphierend zu. »Das sind wir! Gut gemacht, Junge. Das hätte ich nicht besser ausdrücken können. Was sagst du nun dazu, Nisus?«
»Ich sage, dass dein Optio noch jung ist.« Nisus bemühte sich, die Bitterkeit nicht in seiner Stimme durchklingen zu lassen. »Mit der Zeit wird er seine eigene Weisheit erringen, die dann nicht mehr aus zweiter Hand kommt. Vielleicht wird er etwas von den wenigen Römern lernen, die echte Weisheit besitzen.«
»Und wer mag das wohl sein?«, fragte Macro. »Garantiert irgendwelche blöden Philosophen.«
»Vielleicht. Sie könnten sich aber auch unter den Männern in unserer Nähe befinden. Ich habe mich mit einigen römischen Soldaten unterhalten, die meine Ansichten teilen. «
»Ach ja? Wer denn?«
»Zum Beispiel euer Tribun Vitellius.«
Macro und Cato wechselten einen erstaunten Blick.
Nisus beugte sich vor. »Das ist nun wirklich ein Mann, der über all diese Fragen tiefgründig nachdenkt. Er kennt die Begrenztheit des Imperiums. Er weiß, was seine Expansion die Menschen gekostet hat, Römer wie Nicht-Römer. Er weiß …« Nisus hielt inne, da ihm plötzlich bewusst wurde, dass er mehr gesagt hatte, als vielleicht gut war. »Damit wollte ich einfach ausdrücken, dass er über diese Fragen gründlich nachdenkt, das ist alles.«
»Oh, er denkt gründlich über alle Fragen nach, mag sein«, entgegnete Macro bitter. »Und er verpasst dir einen Dolchstoß in den Rücken, wenn du ihm zufällig in den Weg kommst. Der Schuft!«
»Herr«, unterbrach ihn Cato, der die schreckliche Spannung zwischen den beiden unbedingt mildern wollte. »Was auch immer wir über den Tribun denken, wir sollten das jetzt am besten für uns behalten.«
Sollte Nisus sich mit Vitellius angefreundet haben, mussten sie sorgfältig darauf achten, nur ja nichts zu sagen, was der Tribun einmal gegen sie verwenden konnte, falls Nisus ihm das Gespräch zutrug. Vitellius’ Verrat im Zusammenhang mit Cäsars alter Soldtruhe nagte noch immer an ihnen, und die Tatsache, dass Vitellius sich wegen dieses Vergehens nicht hatte verantworten müssen, machte ihn zu einem gefährlichen Feind.
Macro schluckte seinen Zorn herunter und saß nun schweigend da, an einer Kruste kauend, während er finster in die dunkle Landschaft endloser Reihen von Zelten und Lagerfeuern starrte.
Nisus wartete noch einen Moment lang und stand dann auf, sich die Krumen von der Tunika wischend. »Wir sehen uns gelegentlich, Cato.«
»Ja. Und danke für den Backfisch.«
Der Karthager nickte, machte kehrt und ging davon.
»Ich an deiner Stelle«, meinte Macro ruhig, »würde mich von ihm fern halten. Der Bursche bewegt sich in unguter Gesellschaft. Wir sollten ihm nicht trauen.«
Cato blickte vom Zenturio zu Nisus’ schnell davoneilendem Schatten und wieder zurück. Er bedauerte die Art, in der Macro den Wundarzt behandelt hatte, und schämte sich, dass er sich genötigt gesehen hatte, der verkürzten Argumentation des Zenturios beizupflichten. Aber wie hätte die Alternative ausgesehen? Nisus lag jedenfalls falsch. Insbesondere in seiner Einschätzung des Tribuns Vitellius.
31
Sobald die Festungswälle hochgezogen waren, befahl General Plautius seinen Männern, eine Kette von befestigten Lagern zu errichten, um den Zufahrtsweg zum Hauptlager zu sichern. Gleichzeitig begann der technische Bautrupp mit der Arbeit an der Schiffsbrücke. Tagsüber trieben die Männer Pfähle in den Strom, mit denen die Fahrzeuge im Wasser festgelegt wurden, und nachts bauten sie den befahrbaren Weg von Fahrzeug zu Fahrzeug. Sie arbeiteten sich dabei von beiden Ufern aufeinander zu, und die Lücke wurde stetig kleiner, sodass Legionäre und Nachschub die Tamesis bald ungehindert würden passieren können. Nisus beobachtete sie von einem auf den Fluss hinausragenden Baumstrunk aus, die Augen auf das schimmernde Spiegelbild der Fackeln im Wasser gerichtet. Finster blickte er in den Strom hinunter und war so tief in Gedanken versunken, dass er seinen Besucher erst bemerkte, als der Mann sich auf einen Baumstamm ganz in seiner Nähe
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