Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
Vorzelts. »Bis morgen, Herr.«
»Bis morgen?«, antwortete Macro geistesabwesend, während er mit seiner Tunika kämpfte, dann aber aufgab und sich auf die Reste seines Feldbetts plumpsen ließ. Plötzlich stützte er sich jedoch auf einen Ellbogen.
»Cato!«
»Herr?«
»Wir haben Befehl, den Legaten sofort morgen früh aufzusuchen. Vergiss das nicht, Bursche!«
»Den Legaten?«
»Ja, verdammt, den Legaten. Und jetzt verschwinde, damit ich endlich schlafen kann.«
33
Das Signal der ersten Tageswache ertönte aus dem Hauptquartier des Generals, unmittelbar gefolgt von den Signalen der drei Legionen, die am Nordufer der Tamesis lagerten, während die Legion, die sich noch auf dem Südufer befand, mit einem Moment Verzögerung folgte. Obgleich General Plautius sich beim größeren Truppenverband aufhielt und die Vorbereitungen für die nächste Phase des Vormarschs koordinierte, waren die Adlerstandarten aller vier Legionen noch immer in einem auf der anderen Flussseite errichteten Hauptquartierbereich untergebracht, und so hatte die Armee die Tamesis offiziell noch nicht überschritten. Diesen Triumph würde man Claudius lassen. Kaiser und Adlerstandarten sollten die Tamesis gemeinsam überqueren. Es würde ein großartiges Schauspiel werden, daran hatte Vespasian nicht den geringsten Zweifel. Aus dem Vormarsch zur feindlichen Hauptstadt Camulodunum würde man das größtmögliche politische Kapital zu schlagen wissen. Der Kaiser und sein Gefolge würden die Prozession in funkelnder Rüstung anführen, und irgendwo im langen Zug des Gefolges würde sich auch Flavia befinden.
Flavia würde wie alle, die sich in der Nähe des Kaisers aufhielten, von den Spitzeln des Kaisers überwacht werden; man würde alle ihre Gesprächspartner und jedes mitgehörte Gespräch sorgfältig aufzeichnen und an Narcissus übermitteln. Vespasian fragte sich, ob der freigelassene Sklave, dem der Kaiser von allen Menschen am meisten vertraute, seinen Herrn wohl auf dem Feldzug begleiten würde. Das hing davon ab, wie sehr Claudius seiner Frau und dem Präfekten der Prätorianergarde vertraute, der die in Rom verbliebenen Kohorten befehligte. Vespasian war Messalina nur ein einziges Mal bei einem Bankett im Palast begegnet. Dieses eine Mal aber reichte aus, um zu erkennen, dass hinter ihrer Maske blendender Schönheit ein messerscharfer Verstand die Welt betrachtete. Ihre Augen, im ägyptischen Stil stark geschminkt, hatten sich in ihn hineingebohrt, und Vespasian war es nur mit Mühe und Not gelungen, ihrem unverwandten Blick standzuhalten. Messalina hatte zu dieser Kühnheit billigend gelächelt und ihm die Hand zum Kuss hingestreckt. »Auf den da musst du aufpassen, Flavia«, hatte sie gesagt. »Ein Mann, der dem Blick der Kaisergattin so mühelos widersteht, ist zu allem Möglichen imstande.« Flavia hatte sich zu einem schmallippigen Lächeln gezwungen und ihren Mann schnell davongeführt.
Welche Ironie, dachte Vespasian bei der Erinnerung an diesen Vorfall, dass eher er selbst und nicht Flavia als potenzieller Mitverschwörer in Betracht gezogen worden war, wie unauffällig auch immer. Flavia war in jeder Hinsicht immer als treue Ehefrau und vorbildliche Bürgerin erschienen und hatte ihm nie Anlass zur Sorge gegeben, sie könne sich jemals in irgendetwas Gefährlicheres verwickeln lassen als einen Ausflug zu den öffentlichen Bädern.
Im Rückblick wirkten die kleinen geselligen Anlässe, die sie ohne ihn veranstaltet oder besucht hatte, allerdings unzweifelhaft gefährlich, insbesondere nachdem einige der Leute, mit denen sie zu speisen pflegte, Narcissus’ Spitzeln ins Netz gegangen und verurteilt worden waren. Vespasian wusste immer noch nicht, wie tief sie in die Verschwörung gegen Claudius verstrickt war. Erst wenn er sie Auge in Auge mit diesem Vorwurf konfrontiert hatte, konnte er sich sicher sein. Doch wenn sie auch nur eine halb so kaltblütige Verräterin war, wie Vitellius behauptete, wie konnte er ihr dann glauben, dass ihre Darstellung der Ereignisse der Wahrheit entsprach? Die Möglichkeit, dass Flavia vielleicht lügen und er diese Lüge nicht erkennen würde, erfüllte ihn mit einem schrecklichen Gefühl des Selbstzweifels.
Er hörte Schritte auf dem Bretterboden vor seinem Verwaltungszelt, schnappte sich rasch die erstbeste Schriftrolle und richtete den Blick darauf: eine Bitte um zusätzlichen Lazarettplatz vom Obersten Wundarzt der Legion.
Draußen war ein leiser Wortwechsel zu hören, und dann
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