Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
Verrats oder einer Enthüllung nahm bei jeder Neuaufnahme eines Mitgliedes beinahe exponentiell zu. Nein, da war es viel einfacher, allein zu arbeiten; auf ein ganz bestimmtes Ziel hin, aber ohne Verpflichtung gegenüber einer Sache oder irgendwelchen Gesinnungsgenossen. Die Abschottung von solchen Gruppen war seine Stärke und ihre Schwäche, wie sein gegenwärtiger Plan zeigte.
Unter den hochrangigen Offizieren galt es inzwischen als wahrscheinlich, dass die römischen Waffen, die bei den Briten aufgefunden worden waren, aus Lieferungen der Liberatoren stammten. Diese Verräter hatten offensichtlich angenommen, dass die Briten die Invasoren ins Meer zurücktreiben würden und dass eine solche militärische Katastrophe Claudius’ Sturz nach sich ziehen müsste. Im darauf folgenden Chaos sahen die Liberatoren sich selbst als Kämpfer für eine neue Republik. Wäre die Invasion tatsächlich fehlgeschlagen, hätte das keinen glücklicher gemacht als Vitellius. Wenn das politische System lange genug destabilisiert wurde, hätte er Zeit, sich eine starke politische Position zu verschaffen. Eines Tages dann, wenn er sich sicher sein konnte, dass der Moment reif war, würde er die Macht an sich reißen.
Der jüngste den Liberatoren zugeschriebene Verrat bedeutete nun, dass man sie in Rom weiter anschwärzen würde. Von der erbärmlichsten Hütte in Suburas Elendsvierteln bis in die nobelsten Speisezimmer des Janiculum würde man die Liberatoren aufs Fürchterlichste verfluchen. Mit dem geplanten Attentat auf Claudius würde Vitellius sie noch schlechter dastehen lassen. Ganz allein wäre ein solcher Plan undurchführbar gewesen, doch die sorgfältige Kultivierung von Nisus’ tief verwurzeltem Groll gegen Rom hatte Früchte getragen. Caratacus hatte sich als begeisterter Verbündeter erwiesen, sobald sich über die Botschaft des Gefangenen, dem Vitellius zur Flucht verholfen hatte, eine Möglichkeit eröffnete. Jede politische Unruhe in Rom, die die Römer veranlasste, sich aus Britannien zurückzuziehen, war den Schandfleck der Verwicklung in ein Attentat wert.
Vitellius betrachtete Caratacus zunehmend voller Hochachtung. Er hatte diesen britischen Führer niemals persönlich kennen gelernt, doch wie gut der Verstand dieses Mannes arbeitete, zeigte sich in seinen Anordnungen für die Intrige. Trotz seines schrecklichen Nachteils, aus einer Kriegerkultur zu stammen, in der die Ehre eines Mannes höher als alles andere stand, war Caratacus bewundernswert pragmatisch. Er würde Claudius vor Camulodunum eine Schlacht liefern, das war gewiss. Wenn er die Hauptstadt ohne einen einzigen Schwertstreich fallen ließe, würde das den Widerstandswillen der anderen Inselstämme brechen. Die wehrhafte Haltung musste beibehalten werden, selbst um den Preis einer weiteren Niederlage. Es bestand zudem die Möglichkeit, wie unwahrscheinlich auch immer, dass die Schlacht gewonnen wurde oder ein römischer Sieg zumindest als ein solcher Pyrrhussieg daherkam, dass die Eroberung der Insel aufgehalten wurde.
Falls aber die nächste Schlacht als weitere Niederlage für die Briten endete, würde der Kaiser die Kapitulation der anderen Stämme persönlich entgegennehmen, und dann könnte man den Anschlag auf sein Leben versuchen. Es war Caratacus gelungen, einen seiner Gefolgsleute dazu zu überreden, diese einem Selbstmord gleichkommende Aufgabe zu übernehmen und die Klinge zu führen. Vitellius musste nur dafür sorgen, dass dem Mann ein Messer zugesteckt wurde, nachdem man ihn vor seinem Erscheinen beim Kaiser auf Waffen durchsucht hatte. Doch ohne die Botschaft, die Nisus bei sich hatte, würde Vitellius den Attentäter nicht erkennen können. Ohne dieses Wissen war der Anschlag gegen den Kaiser nicht durchführbar.
Ob das Attentat auf Claudius nun Erfolg hatte oder nicht, auf jeden Fall würde man den Liberatoren die Schuld daran geben. Auch wenn es ein britisches Messer war, das den Kaiser ins Herz traf, würde man bei der anschließenden Untersuchung der Verschwörung mit Sicherheit Verbindungen zu den Liberatoren suchen und dann irgendwie auch finden, insbesondere wenn man ein bisschen nachhalf.
Plötzlich setzte Vitellius sich kerzengrade in seinem Feldbett auf, wütend auf sich selbst. Es war völlig sinnlos, über künftige Freuden nachzudenken, wenn Nisus ihn jeden Moment als Mitverschwörer bloßstellen konnte. Allerdings war daran wenig zu ändern, bis entweder Nisus oder Nachricht über Nisus im Hauptlager eintraf. Dann
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