Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
konnte er in seiner Rolle als besorgter Freund einen Besuch bei dem Mann rechtfertigen. Bis dahin, ermahnte er sich, musste er Ruhe bewahren. Er durfte auf keinen Fall gereizt wirken, denn wenn der schlimmste Fall eintrat und anschließend eine Untersuchung veranlasst wurde, könnte jemand sich an seine Nervosität erinnern. Besser war es, er dachte über etwas Angenehmeres nach.
In diesem Moment fiel ihm wieder ein, dass er im kaiserlichen Gefolge auch Flavia gesehen hatte. Hinter Vespasians Frau hatte dieses ungemein attraktive Sklavenmädchen gestanden, mit dem er einmal ein Techtelmechtel gehabt hatte, als die Zweite in Germanien stationiert war. Selbst dem lüsternen alten Trottel Claudius war sie ins Auge gefallen. Sich ihr Gesicht in Erinnerung rufend, lächelte Vitellius bei der Aussicht, ihre Beziehung zu erneuern.
43
»Unter die Lampen mit ihm!«, rief der Oberwundarzt, als zwei Legionäre die Trage ins Behandlungszelt schleppten. »Passt auf, ihr Trottel!«
Cato ging neben ihnen her und drückte einen blutdurchtränkten Lappen auf die Wunde. Der Oberwundarzt, ein dunkelhäutiger Mann wie Nisus, half ihnen, die Trage vorsichtig auf die Holzplatte des Untersuchungstisches zu bugsieren, und ließ dann die über einen Flaschenzug laufenden Lampen durch weiteres Schnurgeben herunter. Im entstandenen Schummerlicht entfernte er den als Kompresse dienenden Stofflappen, um die Eintrittsstelle des Speers zu untersuchen, doch der Oberkörper war vorn und an den Seiten mit einer klebrigen, roten Schmiere bedeckt. Der Wundarzt nahm sich einen Schwamm aus einer auf Hochglanz gewienerten Kupferschüssel und wischte das Blut weg. Er fand ein dunkles, daumendickes Loch vor, aus dem sogleich wieder frisches Blut quoll, und drückte die Kompresse erneut darauf.
»Wo habt ihr ihn gefunden?«
»Er hat versucht, durch die Postenkette zu kommen«, antwortete Cato. »Einer meiner Männer hielt ihn auf.«
»Das will ich meinen.« Der Oberwundarzt hob die Kompresse erneut an, um die Wunde zu untersuchen, und verzog angesichts des ungestillt fließenden Blutes das Gesicht.
Mit einem plötzlichen Schrei schoss Nisus’ Kopf hoch und knallte dann unter Gestöhn und Gemurmel schmerzhaft auf den Tisch zurück.
»Wir müssen die Blutung stillen. Es sieht so aus, als hätte er schon jetzt zu viel Blut verloren.« Der Oberwundarzt blickte auf. »Wann, sagtest du, seid ihr auf ihn gestoßen?«
Cato rechnete vom Stundensignal aus. »Vor einer halben Stunde.«
»Und er blutet schon die ganze Zeit so?«
»Ja, Herr.«
»Dann war’s das. Ich kann nichts mehr für ihn tun.«
»Es muss aber noch etwas zu machen sein, Herr«, widersprach Cato verzweifelt.
»Ein Freund von dir?«
Cato stockte einen Moment und nickte dann.
»Nun, Optio, das mit deinem Freund tut mir Leid, aber wir können wirklich nichts mehr für ihn tun. Diese Art von Bauchverletzung ist immer tödlich.«
Nisus zitterte jetzt, und sein Stöhnen hatte etwas Schrilles. Seine Augen flackerten und öffneten sich plötzlich weit, blickten benommen vor Schmerz in die Runde und blieben dann an Cato hängen.
»Cato …« Nisus streckte die Hand nach ihm aus.
»Lieg still, Nisus«, befahl Cato. »Du musst dich ausruhen. Leg dich zurück.«
»Nein.« Nisus lächelte schwach, doch dann wurde er von einem quälenden Krampf gepackt, und seine Lippen verzerrten sich. »Ich sterbe. Ich sterbe, Cato.«
»Unsinn! Du stirbst nicht!«
»Ich bin verdammt noch mal Wundarzt! Ich weiß, wie es um mich steht!« Seine Augen loderten wild auf, dann, als ihn der nächste Krampf durchzuckte, kniff er die Lider fest zusammen. »Ahhh! Es tut schrecklich weh!«
»Ist ja gut, Nisus.« Der Oberwundarzt klopfte ihm auf die Schulter. »Es ist bald vorbei. Soll ich es dir erleichtern? «
»Nein! Keine Vorzugsbehandlung.« Er keuchte jetzt, flache, raue Atemzüge. Noch immer hielt er Catos Hand umklammert, und sein kraftvoller Griff war beinahe schmerzhaft, als ob er versuchte, die Welt der Lebenden festzuhalten, während der Tod schon an ihm zerrte. Mit äußerster Anstrengung und vom letzten Funken Bewusstsein getrieben, der ihm geblieben war, packte er Cato mit der anderen Hand und zog den Optio bis dicht an seinen Mund.
»Sag dem Tribun, sag ihm …« Seine Stimme verlor sich in einem Geflüster, und Cato war sich noch nicht einmal sicher, ob er da Worte hörte oder die letzten, keuchenden Atemzüge eines Sterbenden. Langsam erschlaffte der Griff des Karthagers, und sein Atem wurde
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