Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
zu bezwingen, hatte Erfolg, und nun versammelten sich immer mehr Römer auf dem Wall und drängten die Briten zurück, den jenseitigen Abhang des Walls hinunter und in das britische Lager hinein. Mit dem Gefühl, nun endlich den Sieg vor Augen zu haben, und im Blutrausch, von dem Bedürfnis getrieben, die Qualen zu rächen, die sie auf dem Schlachtfeld beim Fluss hatten durchleiden müssen, hieben sich die Männer der Neunten ihren Weg voran.
Vitellius begleitete sie und feuerte die Legionäre an, während er versuchte, sich dem Offiziersstab wieder anzuschließen. Er fand sie in einem Kreis von Leichen vor – Römer wie Briten lagen unter dem Adler am Boden ausgestreckt. Die meisten Offiziere hatten bei dem verzweifelten Kampf auf dem Wall Wunden davongetragen, und Vitellius bemerkte, dass nicht einmal mehr die Hälfte der ursprünglichen Offiziersgruppe aufrecht dastand. Geta ließ den Befehl an die Kohortenkommandanten überbringen, ihre Einheiten unbedingt daran zu hindern, sich in einer Verfolgungsjagd auf die Feinde zu zerstreuen. Diese Aufgabe würden sie den frischen Truppen der Vierzehnten zugestehen, während die Neunte die Befestigungen sicherte, die sie unter Einsatz des Lebens so vieler Kameraden eingenommen hatten.
»Da bist du ja, Herr!«, rief Vitellius freudig. »Wir haben es geschafft, Herr. Wir haben sie geschlagen!«
»Wir?« Geta hob eine Augenbraue, doch Vitellius ließ sich nicht abhalten. Nachdem er sein blutiges Schwert in die Scheide gesteckt hatte, packte er den Legaten bei der Hand und schüttelte sie herzlich.
»Ein brillanter Schachzug, Herr! Wirklich brillant. Warte nur, bis Rom davon erfährt!«
»Ich dachte, wir hätten dich verloren, Tribun«, erwiderte Geta gelassen.
»Ich wurde in dem Durcheinander abgedrängt, Herr. So konnte ich einigen unserer Leute helfen, zum Wall durchzubrechen.«
»Ah ja.«
Die beiden Männer standen sich einen Moment lang Auge in Auge gegenüber, der Tribun überschwänglich lächelnd, während das Gesicht des Legaten kalt und abweisend blieb. Vitellius brach das Schweigen.
»Und von der Zweiten Legion ist nicht das Geringste zu sehen! Das hier ist der ausschließliche Sieg der Neunten. Dein Sieg, Herr.«
»Die Schlacht ist noch nicht vorbei, Tribun. Für keinen von uns.«
»Für die dort ist sie aber vorbei, Herr.« Vitellius winkte in die Richtung des feindlichen Lagers, durch das die ehemaligen Verteidiger nun auf das hintere Tor zuströmten.
»Für sie vielleicht. Entschuldige.« Geta wandte sich den Trompetern zu. »Blast zum Ablassen vom Feind und zur Neuformierung.«
Die Bläser holten tief Luft und legten die Lippen ans Mundstück. Die Bucinas schmetterten eine kurze Melodie heraus und wiederholten sie dann fortlaufend. Langsam lösten sich die Männer der Neunten aus dem Getümmel und blickten sich suchend nach ihren Kohortenstandarten um. Doch bevor Geta noch den Befehl zum Beenden des Signalrufs geben konnte, bemerkte er plötzlich noch ein anderes Geräusch, ein Rauschen wie von Tausenden von Kriegsschreien, die von jenseits des feindlichen Lagers heranbrandeten. Als die anderen Offiziere das hörten, blickten sie zum Hügelkamm hinter dem Lager. Die ganze Gefechtslinie entlang standen die Männer, Römer wie Briten, still da und lauschten. Dann packte eiskaltes Entsetzen die erschöpften Römer, denn Caratacus’ sorgfältig gehütete Reserve brach ins Lager herein.
»Oh, Scheiße!«, flüsterte Vitellius.
Legat Geta lächelte und zog erneut das Schwert. »Mir will scheinen, dein Bericht über unseren Triumph war doch ziemlich übertrieben. Falls wir es bis in die Nachrichtenverlautbarungen Roms schaffen, dann wohl leider nur bei den Todesanzeigen.«
13
Vespasian sah gequält, aber völlig unerschrocken zu, als die britischen Reserven wie eine riesige Welle nach vorne wogten, wo sie die gelichteten Reihen der Neunten zu zerschmettern drohten. Die Vierzehnte Legion würde der Neunten nicht mehr rechtzeitig zur Hilfe kommen können, und dann wäre sie selbst an der Reihe und würde verhackstückt, ohne jede Möglichkeit zum Rückzug.
Cato, der neben dem Legaten lag, wurde klar, dass das Schicksal der gesamten Armee von dem abhing, was im nächsten Moment geschah. Die Briten standen kurz vor einem entscheidenden Sieg über die römischen Invasoren, und allein schon der Gedanke an eine solche Katastrophe erfüllte ihn mit einer so tiefen Verzweiflung, als stünde der Weltuntergang bevor. Nur die Zweite Legion konnte das Unglück
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