Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
sie alle werden von Rom ernährt. Wo immer man an Roms gefräßigem Verlangen nach Bodenschätzen, Unterhaltung und Luxus Geld verdienen kann, gibt es auch einen Parasiten, der diese Nachfrage befriedigt. Aber über alle anderen«, Nisus zuckte mit den Schultern, »kann ich nichts sagen.«
»Kannst du nicht oder willst du nicht?«, warf Macro verärgert ein.
»Zenturio, ich bin ein Gast an eurem Feuer und habe meine Meinung nur auf Bitten deines Optios geäußert.«
»Nun schön. Dann sag uns deine Meinung. Sag uns, was die Leute von Rom halten.«
» Die Leute?« Nisus hob eine Augenbraue. »Ich kann nicht für andere Leute sprechen. Ich weiß wenig über die Getreidebauern am Nil, die jedes Jahr gezwungen werden, den größten Teil ihrer Ernte abzugeben, egal wie gut oder schlecht der Ertrag nun war. Ich habe keine Ahnung, was es bedeutet, ein versklavter Kriegsgefangener zu sein, der an andere Sklaven gekettet in einer Bleimine schuftet und Frau und Kinder niemals wiedersehen wird. Oder ein Gallier zu sein, dessen Land seit Generationen im Besitz derselben Familie war, nun aber plötzlich beschlagnahmt und einem Haufen entlassener Legionäre übergeben wird.«
»Billige Rhetorik«, blaffte Macro. »Du weißt eigentlich überhaupt nichts.«
»Nein, aber ich kann mir vorstellen, wie die Leute sich fühlen. Und das kannst du auch – wenn du es versuchst.«
»Warum sollte ich denn? Wir haben gewonnen, sie haben verloren, und das beweist, dass wir die Besten sind. Wenn die deswegen grollen, verschwenden sie nur ihre Zeit. Das Unvermeidliche kann man nicht übelnehmen.«
»Schöner Aphorismus, Zenturio.« Nisus kicherte anerkennend. »Aber an den Steuern, die das Imperium einzieht, und daran, dass es den Provinzen Getreide, Gold und Sklaven abquetscht, ist nichts Unvermeidliches. Alles für den heruntergekommenen Pöbel in Rom. Wundert es einen da, dass die Menschen voll Bitterkeit und Groll sind, wenn sie auf Rom schauen?«
Für einen Fatalisten wie Macro waren Nisus’ Worte eine Kampfansage, und er knirschte mit den Zähnen. Hätten sie etwas getrunken gehabt, wäre ihm das Reden bald über gewesen, und er hätte dem Mann einfach die Faust ins Gesicht geschlagen. Doch er war nüchtern, und schließlich war Nisus sein Gast, also musste er das Gespräch ertragen.
»Warum bist du dann überhaupt Römer geworden?«, forderte er den Wundarzt heraus. »Warum denn, wenn du uns so verabscheust?«
»Wer sagt denn, dass ich euch verabscheue? Ich bin jetzt einer von euch. Ich weiß die Tatsache zu schätzen, dass die römische Staatsbürgerschaft mir einen besonderen Status im Imperium verleiht, aber darüber hinaus empfinde ich nichts für die Römer.«
»Wie steht es mit uns?«, fragte Cato ruhig. »Wie steht es mit deinen Kameraden?«
»Das ist etwas anderes. Ich lebe mit euch zusammen und kämpfe notfalls auch an eurer Seite. Das schafft ein besonderes Band zwischen uns. Aber sieht man einmal vom römischen Bürgerrecht und meinem römischen Namen ab, bin ich ein anderer. Jemand, der die Erinnerung an Karthago tief im Blut trägt.«
»Du heißt eigentlich anders?« Der Gedanke war Cato noch gar nicht gekommen.
»Natürlich«, sagte Macro. »Wer sich unter die Adlerstandarte stellt und das römische Bürgerrecht bekommt, muss einen römischen Namen annehmen.«
»Und wie hast du geheißen, bevor du Nisus wurdest?«
»Mein voller Name ist Marcus Cassius Nisus.« Er lächelte Cato an. »So kennt man mich in der Armee, und so steht es auf jeder rechtlichen oder ärztlichen Urkunde. Aber davor, bevor ich Römer wurde, war ich Gisgo aus dem Geschlecht der Barca.«
Cato hob die Augenbrauen, und ein Kälteschauer rieselte ihm über den Nacken. Er starrte den Wundarzt einen Moment lang an, bevor er zu sprechen wagte. »Irgendwie verwandt?«
»Ein direkter Nachkomme.«
»Verstehe«, murmelte Cato, der noch immer damit zu tun hatte, diese Information und alles, was darauf folgte, zu verarbeiten. »Interessant.«
Macro warf einen weiteren Klotz ins Feuer und brach den Bann. »Würdet ihr mir vielleicht sagen, was daran so verdammt interessant ist? Nur weil er einen komischen Namen hat?«
Bevor Cato es noch erklären konnte, wurden sie unterbrochen. Hoch aufragend trat ein Offizier aus dem Dunkeln, dessen schimmernde Brustplatte das Licht des Feuers widerspiegelte.
»Wundarzt, wirst du Nisus genannt?«
Nisus und Macro sprangen auf und nahmen vor Vitellius stramme Haltung an. Cato war langsamer und zuckte bei den
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