Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
sich auf die Seite und sah Cato an. »Nun, Optio. Du kommst aus dem Palast.«
»Ja.«
»Stimmt es, dass Claudius genau so grausam und unfähig ist wie alle seine Vorgänger?«
»Stellt ein Römer denn eine solche Frage?«, spuckte Macro hervor.
»Die Frage ist völlig vernünftig«, entgegnete Nisus. »Und ohnehin bin ich nicht als Römer geboren. Zufällig stamme ich aus Afrika, mit einem kleinen griechischen Anteil. Daher mein Beruf und meine Anwesenheit hier. Nur aus Griechenland und den östlichen Provinzen kann die Legion sich brauchbare Leute mit medizinischer Erfahrung verschaffen.«
»Verdammte Fremde«, meinte Macro herablassend. »Wir schlagen sie im Krieg, und sie nutzen uns im Frieden aus.«
»So war es schon immer, Zenturio. Zum Ausgleich für die Eroberung.«
Trotz dieser leichthin gesagten Bemerkung spürte Cato Bitterkeit hinter den Worten und war neugierig. »Woher kommst du denn dann?«
»Aus einer kleinen Stadt an der afrikanischen Küste. Cartanova. Du wirst wohl noch nie davon gehört haben.«
»Doch, ich glaube schon. Befindet sich dort nicht die Bibliothek des Archelonides?«
»Aber ja.« Nisus’ Gesicht leuchtete freudig auf. »Du kennst den Ort?«
»Ich habe darüber gelesen. Die Stadt wurde auf einem Teil der Fundamente einer karthagischen Stadt errichtet, soviel ich weiß.«
»Ja.« Nisus nickte. »Das stimmt. Auf den Fundamenten. Man sieht noch immer, wo die alte Stadtmauer verlief, und ebenso erkennt man die Lage eines Teils des Tempelkomplexes und des Hafens. Aber das ist auch alles. Am Ende des zweiten punischen Krieges wurde die Stadt komplett dem Erdboden gleichgemacht.«
»Die römische Armee macht eben keine halben Sachen«, erklärte Macro mit einem gewissen Stolz.
»Nein, offenbar nicht.«
»Und dort bist du zum Arzt ausgebildet worden?«, fragte Cato, bemüht, das Gespräch in unverfänglichere Bahnen zu lenken.
»Ja. Ein paar Jahre lang. Aber in einer kleinen Handelsstadt kommt man in seiner Ausbildung einfach nur bis zu einem bestimmten Punkt. Daher wanderte ich ostwärts nach Damaskus und arbeitete bei einem Arzt, der sich mit der großen Vielfalt von Beschwerden befasste, die die reichen Kaufleute und ihre Frauen ihrer Meinung nach plagten. Finanziell durchaus lohnend, aber langweilig. Ich freundete mich mit einem Zenturio in der Garnison an. Als er vor ein paar Monaten zur Zweiten versetzt wurde, ging ich mit. Kann nicht behaupten, dass es nicht aufregend war, aber mir fehlt die Lebensart, die man in Damaskus pflegt.«
»Ist es da so gut, wie man hört?«, fragte Macro mit dem Eifer eines Menschen, der überzeugt ist, dass das Paradies irgendwo im diesseitigen Leben zu finden sein muss. »Ich meine, die Frauen haben einen ziemlichen Ruf, oder?«
»Die Frauen?« Nisus hob die Augenbrauen. »Denken Soldaten eigentlich an nichts anderes? Damaskus hat mehr zu bieten als nur Frauen.«
»Bestimmt«, antwortete Macro, der es jetzt einmal mit Freundlichkeit versuchte. »Aber stimmt das über die Frauen?«
Der Wundarzt seufzte. »Die Legionen, die dort in Garnison lagen, waren offensichtlich dieser Meinung. Man hätte meinen sollen, die hätten noch nie im Leben eine Frau gesehen. Rudelweise sabbernde Besoffene, die von einem Bordell ins nächste schwankten. Denen ging es wohl nicht so sehr darum, den römischen Frieden zu bewahren, sondern als Römer in Frieden zu vögeln.«
Nisus schaute ins Feuer, und Cato sah, dass sein Mund nun zu einer bitteren Linie zusammengepresst war. Auch Macro schaute ins Feuer, doch die trägen Flammen zeigten ein Lächeln auf seinem Gesicht, während er sich die exotischen Freuden einer Stationierung im Osten ausmalte.
Der Unterschied zwischen diesen beiden Vertretern eines herrschenden und eines unterworfenen Volkes bedrückte Cato. Wie kam es, dass die Welt von ungehobelten Frauenhelden regiert wurde, die die Herrschaft über die weit gebildeteren unterworfenen Völkerschaften davontrugen? Macro und Nisus waren natürlich keine typischen Vertreter, und vielleicht war der Vergleich auch ungerecht, aber war es immer so, dass militärische Macht über den Intellekt triumphierte? Mit Sicherheit hatten die Römer die Griechen besiegt, trotz deren Wissenschaft, Kunst und Philosophie. Cato hatte genug gelesen, um zu wissen, wie viel die Römer sich anschließend aus dem Erbe der griechischen Zivilisation angeeignet hatten. Tatsächlich hing das Schicksal Roms von der römischen Fähigkeit ab, andere Zivilisationen skrupellos zu
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