Cato 03 - Der Zorn des Adlers
wurden sie unter schwerer Bewachung in einem eigens errichteten Gebäude festgehalten. Bei der Erinnerung an seinen Besuch dort überlief Vespasian ein Schauder des Abscheus. Es waren fünf Gefangene, in dunkle Gewänder gehüllt und die Handgelenke mit Amuletten aus verdrehten Haarsträhnen behängt. Das eigene Haar trugen sie zurückgebunden und mit Kalk versteift. Ihr Gestank beleidigte die Nase des Legaten, als er sie neugierig von der anderen Seite des Holzgitters beäugte. Jeder Druide hatte in Schwarz einen zunehmenden Mond auf die Stirn tätowiert. Ein hoch gewachsener, magerer Mann mit ausgemergeltem Gesicht und einem langen, weißen Bart stand etwas abseits. Seine Augenbrauen waren eindrucksvoll, ein dichtes, schwarzes Gestrüpp, und darunter glühten dunkle Augen aus tiefen Höhlen heraus. Bei Vespasians Besuch sagte er kein Wort, sondern stand nur breitbeinig da, die Arme vor der Brust verschränkt, und starrte den Römer finster an. Eine Zeit lang begnügte sich Vespasian damit, die anderen Druiden dabei zu beobachten, wie sie sich mit mürrischer Stimme unterhielten, doch dann wurde sein Blick wieder von ihrem Anführer angezogen, der ihn noch immer anstarrte. Die dünnen Lippen des Druiden hatten sich zu einem Grinsen verzogen und ließen gelbliche Zähne sehen, die aussahen wie spitz gefeilt. Als er ein trockenes, raues Lachen ausstieß, verstummten seine Gefolgsleute und drehten sich herum, um Vespasian anzuschauen. Einer nach dem anderen stimmten sie in das spöttische Gelächter ein. Vespasian ertrug es eine Weile, wandte sich dann aber verärgert ab und marschierte nach draußen.
Diese Briten waren einfach kindisch und dumm, sagte sich Vespasian in Erinnerung an das Verhalten ihrer Stammesführer, die nach Caratacus’ Niederlage vor Claudius getreten waren, um ihm ihre guten Absichten zu geloben. Arrogant, dumm und viel zu genusssüchtig und eigennützig. Schon jetzt war zu merken, dass die Freundschaftsgelöbnisse leere Worte gewesen waren, und es würde wohl noch viel Blut fließen, auf britischer wie auf römischer Seite, bevor die Insel erobert war.
Es war wirklich eine Schande. Wie immer würde es diejenigen Eingeborenen am schlimmsten treffen, die in der barbarischen Gesellschaft auf der untersten Stufe standen. Vespasian bezweifelte, dass es ihnen sonderlich viel ausmachen würde, falls die über sie herrschende Kriegerklasse von Römern ersetzt wurde. Sie wollten einfach nur eine anständige Ernte, um durch den nächsten Winter zu kommen. Weiter reichte ihr Ehrgeiz nicht, doch wenn ihre Herrscher sich Rom widersetzten, geriet ihre ohnehin gefährdete Existenz in die Mühlen des Krieges. Vespasian, der aus einer erst vor kurzem in den Adelsstand erhobenen Familie stammte, ahnte, wie es jenen unteren Schichten erging, die von den Herrschenden gar nicht wahrgenommen wurden, und war schnell zum Mitgefühl bereit. Nicht, dass das irgendjemandem geholfen hätte; er sah darin einfach nur einen weiteren Beweis, dass er nicht der Richtige für seinen gesellschaftlichen Rang war. Im Stillen beneidete er die Abkömmlinge der alten Aristokratenfamilien um die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihre Überlegenheit einfach als gegeben voraussetzten.
Und doch hatte genau diese Eigenschaft um ein Haar zur Vernichtung Claudius’ und seiner Armee geführt. Der Kaiser hatte Caratacus’ gewiefte Truppenführung gar nicht wahrgenommen und den britischen Kommandanten einfach als einen Wilden abgetan, der von Taktik nur eine dumpfe Ahnung und von Strategie nicht den blassesten Schimmer hatte. Diese fatale Fehleinschätzung des Feindes wäre beinahe Claudius’ Ende gewesen. Hätte Caratacus eine diszipliniertere Armee befehligt, herrschte jetzt ein anderer Kaiser in Rom. Vielleicht wäre die Welt ohne diese unbelehrbar überheblichen Aristokraten ja besser dran, überlegte Vespasian, verwarf diesen Gedanken aber sofort wieder als vermessen.
Caratacus hatte gelernt, dass es sinnlos war, eine unausgebildete Armee gegen die disziplinierten Reihen der Legionen zu werfen, und seine Kräfte deshalb zu flexiblen, äußerst beweglichen Einheiten umgebildet, die den strikten Befehl hatten, sich mit kleinen, aber möglichst leicht gewonnenen Siegen zufrieden zu geben. Vielleicht konnte man den Römern ihre Eroberungspläne vergällen, wenn man ihnen klar machte, dass es sich nicht lohnte, sich mit den Briten herumzuschlagen. Doch Caratacus hatte nicht mit der Hartnäckigkeit der Römer gerechnet. Ohne Rücksicht
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