Cato 03 - Der Zorn des Adlers
Schwächen des römischen Heeres gelehrt. Er hatte die unerschütterliche Standhaftigkeit der Legionen kennen gelernt und würde seine tapferen Krieger nun nicht mehr gegen einen Schildwall werfen, der einfach nicht aufzubrechen war. Die Taktik der Nadelstiche, die er derzeit einsetzte, ließ für den bevorstehenden Konflikt Bedenkliches vorausahnen. Die Legionen mochten die Herren des Schlachtfelds sein, doch sie bewegten sich schwerfällig, und so würde es den britischen Kräften ein Leichtes sein, sie zu umgehen oder zwischen ihnen hindurchzuschlüpfen und den Nachschub ins Chaos zu stürzen. Die Briten würden nicht mehr so dumm sein, sich den Legionen im offenen Kampf entgegenzustellen. Vielmehr würden sie jedem Vorstoß ausweichen und sich dann an Flanken und Tross der römischen Kräfte schadlos halten.
Vespasian war nicht recht klar, wie die Legionen auf diese Taktik reagieren sollten. Caratacus und seine Männer unter diesen Bedingungen an einer Stelle festnageln und vernichtend schlagen zu wollen, wäre so unsinnig wie der Versuch, im Wasser einen Korken mit Hammerschlägen zu versenken. Er lächelte bitter über diesen Vergleich. Er war geradezu unangenehm treffend.
»So!« General Plautius drückte sein Siegel auf das letzte Dokument. Der Sekretär nahm es eilig vom Tisch und klemmte es zu den anderen unter den Arm.
»Bring das alles sofort auf den Weg. Der Kurier soll morgen früh das erste Schiff nehmen, das mit der Ebbe ausläuft. «
»Jawohl. Ist das für heute Abend alles, Herr?«
»Ja. Sobald die Kriegsberichte fertig sind, kannst du deine Schreiber für heute entlassen.«
»Danke, Herr.« Der Sekretär salutierte und eilte aus dem Büro, bevor der General seine Meinung ändern konnte. Die Tür schloss sich, und Plautius und der Kommandant der Zweiten Legion blieben allein zurück.
»Wein?«, bot Plautius an.
»Gerne, Herr.«
General Plautius erhob sich steifbeinig von seinem Stuhl, streckte die Glieder und trat zu einem Messingkrug, der in einem kleinen Gestell über einer brennenden Öllampe stand. Plautius hob den dampfenden Krug an seinem Holzgriff hoch und schenkte zwei Silberbecher großzügig voll. Dann kehrte er zu seinem Schreibtisch zurück, stellte die Becher ab und legte zufrieden die Hände um das warme Metall.
»Ich glaube nicht, dass ich diese Insel jemals lieben könnte, Vespasian. Den größten Teil des Jahres ist die Luft feucht und der Boden sumpfig, die Sommer sind kurz und die Winter hart. Für zivilisierte Menschen taugt dieses Klima nicht. So gern ich auch Soldat bin, lieber wäre ich zu Hause.«
Vespasian nickte lächelnd. »Nichts geht über zu Hause, Herr.«
»Ich bin fest entschlossen, dass dies mein letzter Feldzug ist«, fuhr der General in düstererem Tonfall fort. »Ich werde allmählich zu alt für dieses Leben. Es wird Zeit, dass eine neue Generation von Generälen das Ruder übernimmt. Ich möchte mich einfach nur auf meinen Landsitz bei Pompeji zurückziehen und für den Rest meiner Tage den Ausblick über die Bucht nach Caprae genießen.«
Vespasian bezweifelte, dass Kaiser Claudius einen so erfahrenen General gerne würde ziehen lassen, ließ Plautius aber seine Träumerei. »Das klingt sehr friedvoll, Herr.«
»Friedvoll?« Der General runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, ob ich überhaupt noch weiß, was dieses Wort bedeutet. Ich war einfach zu lange im Feld. Ehrlich gesagt bin ich mir gar nicht sicher, ob ich den Ruhestand ertragen könnte. Vielleicht liegt es nur an dieser Gegend hier. Obwohl ich erst seit ein paar Monaten hier bin, kann ich sie schon nicht mehr sehen. Und dieser verdammte Caratacus macht mir das Leben schwer, wo er nur kann. Ich dachte wirklich, wir hätten ihn in der letzten Schlacht ein für alle Mal besiegt.«
Vespasian nickte. Das hatten sie alle gedacht. Zwar wäre die Schlacht durch die törichte Taktik des Kaisers fast verloren gegangen, doch schließlich hatten die Legionen die Briten vernichtend geschlagen. Caratacus hatte zusammen mit den Überlebenden seiner Elitetruppen die Flucht ergriffen. Normalerweise akzeptierten die Barbaren in so einem Fall ihre Niederlage und baten um Frieden. Ganz anders aber diese verrückten Briten. Lieber kämpften sie weiter, ließen sich niedermetzeln und ihre Ländereien verwüsten, als dass sie sich ganz pragmatisch mit Rom einigten. Am feindseligsten von allen waren die Druiden.
Nach der letzten Schlacht hatte man einige von ihnen lebendig gefangen nehmen können, und nun
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