Cato 03 - Der Zorn des Adlers
Furcht und Schrecken verbreiteten. Wie war sie in diese Lage geraten? Die Briten besaßen keine Schiffe, mit denen sie ein Fahrzeug der imperialen Flotte hätten kapern können. Maxentius und seine Passagiere mussten sich auf der Überfahrt von Gesoriacum nach Rutupiae befunden haben, auf einem Seeweg also, der mehr als hundert Meilen von der Küste der Durotriges und der mit ihnen verbündeten Druiden entfernt lag. Ein Sturm musste das Schiff weit vom Kurs abgetrieben haben. Aber warum hatte der Präfekt nicht versucht, an der Küste der Atrebates zu landen, statt sich bis in feindliches Territorium treiben zu lassen? Einen Augenblick lang verfluchte Vespasian den Präfekten für seine Dummheit, doch sofort bereute er diese würdelosen Gedanken angesichts eines so schrecklichen Todes. Vielleicht hatte Maxentius ja versucht, an der Küste der Verbündeten zu landen, war aber vom wütenden Sturm daran gehindert worden.
Der ferne Lärm der Verfolgungsjagd im Wald klang plötzlich anders. Schreie und Gebrüll ertönten, begleitet von scharfem Waffengeklirr. Vespasian und die Legionäre der Sechsten Zenturie wandten sich dem Wald zu. Die Kampfgeräusche wurden schnell heftiger und verstummten dann.
»Bildet ein Karree!«, brüllte Macro. »Schließt die Reihen. «
Die Männer reagierten sofort und formierten sich eilig um die Leiche des Präfekten. Vespasian schob sich in die Mitte und zog sein Schwert. Er begegnete Macros Blick und zeigte auf Kopf und Rumpf, die noch immer im Schnee lagen. Der Zenturio wandte sich seinen Männern zu.
»Ihr beide! Figulus und Sertorius! Herantreten.«
Die Angerufenen lösten sich aus der Formation und eilten zum Zenturio.
»Figulus, leg ihn auf deinen Schild. Ihr müsst ihn zu zweit zum Tor tragen. Ich nehme den anderen Schild.«
Mit einem Ausdruck des Ekels blickte Figulus auf die blutige Leiche des Präfekten hinunter.
»Keine Sorge, Junge, das Blut kriegst du mühelos wieder vom Schild runter. Du musst einfach nur kräftig schrubben. Und jetzt an die Arbeit!«
Während die beiden Männer sich an ihre grässliche Aufgabe machten, wandte Macro sich Cato zu. »Du kannst den Kopf tragen.«
»Den Kopf?« Cato erbleichte. »Ich?«
»Ja, du. Nimm ihn hoch«, blaffte Macro ihn an, erinnerte sich dann aber wieder der Gegenwart des Legaten. »Und, ähm, trag ihn gefälligst mit Respekt.«
Er überging Catos wütenden Blick und eilte zum Legaten, der inzwischen am Rand des Karrees stand, um einen besseren Blick auf den Wald zu haben.
Cato bückte sich mit zusammengebissenen Zähnen und griff nach dem Kopf des Präfekten. Bei der ersten Berührung des dunklen, welligen Haars zuckte er zurück. Er schluckte nervös und zwang sich, so tief ins Haar zu greifen, dass er das Haupt sicher tragen konnte. Dann richtete er sich langsam auf und hielt das Haupt mit abgewendetem Gesicht so weit wie möglich von sich weg. Dennoch wurde ihm beim Anblick der vom Halsstumpf herabhängenden Reste von Sehnensträngen und geronnenem Blut übel.
Ein reiterloses Pferd brach zwischen den Bäumen hervor und galoppierte zum Lager der Zweiten Legion zurück. Zwei weitere Pferde folgten und dann noch eines, diesmal mit einem Kundschafter im Sattel, der dem Tier tief über den Rücken gebeugt die Fersen in die Weichen trieb. Dann lag der Wald wieder reglos und still da.
»Ich hätte keine Verfolgung anordnen sollen«, sagte Vespasian leise.
»Nein, Herr.«
Der Legat drehte sich bei dieser Kritik zu Macro um, die Augenbrauen verärgert zusammengezogen. Doch er wusste, dass der Zenturio Recht hatte. Er hatte unüberlegt gehandelt. Es machte ihn elend, wie gedankenlos er die Kundschafter in ihr Verderben geschickt hatte.
Unmittelbar vor den Schilden der Sechsten Zenturie riss der überlebende Kundschafter sein Pferd am Zügel, das sich, eine Schneewolke aufwirbelnd, mit entsetztem Wiehern aufbäumte. Der Kundschafter ließ die Zügel los und glitt schwerfällig aus dem Sattel.
»Er ist verwundet!«, schrie Macro. »Holt ihn hinter die Schilde! Schnell!«
Der Soldat, der dem Verwundeten am nächsten stand, löste sich aus der Formation, packte den Kundschafter und schleppte ihn ins Karree. Die Hand auf den Bauch gelegt, wo durch einen blutigen Riss in seiner Tunika eine lange Schnittwunde zu erkennen war, die bis zu den Eingeweiden reichte, sackte der Verwundete zusammen. Macro kniete sich nieder, um die Verletzung zu untersuchen. Er packte den Umhang des Kundschafters am Saum, schnitt einen Schlitz hinein,
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