Cato 03 - Der Zorn des Adlers
als die Kameraden auf dem Wall. Gleich darauf öffnete sich das Tor, und ein Dutzend berittene Kundschafter sprengten los. Der Dekurio erspähte die Druiden am Waldrand und erteilte den Befehl zur Verfolgung. Von ihren Umhängen umflattert galoppierten die Kundschafter in verschiedene Richtungen los, dass der Schnee unter ihren hämmernden Hufen in alle Richtungen stob. Der Druide, der Maxentius getötet hatte, schaute sich mit seinem geweihgeschmückten Kopf nach den Verfolgern um, stieß seinem Pferd die Fersen in die Flanken und preschte auf seine Gefährten zu, die sich unterdessen in die Dunkelheit des Waldes zurückzogen.
Vespasian wartete die Verfolgungsjagd nicht ab, sondern rannte durchs Tor und über den leise knirschenden Schnee zur Leiche des Marinepräfekten hinaus. Hinter ihm folgten die Männer der Sechsten Zenturie auf Macros Befehl, der um die Sicherheit seines Kommandanten fürchtete. Von Abscheu und Aberglauben erfüllt blieben die Legionäre jedoch in einiger Entfernung von der Leiche stehen, denn die Druiden jagten ihnen eine Heidenangst ein. Viele der volkstümlichen Geschichten, die sie als Kinder von ihren Eltern gehört hatten, handelten von der dunklen, unheimlichen Macht der keltischen Magier, und es widerstrebte den Legionären zutiefst, damit in Berührung zu kommen. Sie standen schweigend da, während ihre Atemwölkchen in die kalte Luft hinaufwirbelten, und die einzigen Geräusche waren das ferne Donnern der Hufe und das Krachen und Knacken, mit dem die Kavalleriekundschafter bei der Jagd nach den Druiden durchs Unterholz brachen.
Vespasian stand bei der Leiche des Geköpften, die zusammengekrümmt auf der Seite lag. Aus den zerschnittenen Halsadern floss noch immer Blut. Maxentius hatte nur die zerlumpten Überreste einer Tunika getragen, die nun von Blut und Matsch durchweicht waren. Ein großer Lederbeutel hing an seinem Gürtel. Vespasian unterdrückte die aufsteigende Übelkeit, beugte sich hinunter und versuchte, den Knoten zu lösen, mit dem der Beutel am Gürtel befestigt war. Mit zitternden Fingern arbeitete er an dem Band. Er wollte unbedingt von dem blutdurchtränkten Schnee und dem grässlich zugerichteten Kopf des Präfekten wegkommen, der kaum sechs Fuß entfernt lag. Gnädigerweise lag der Kopf so, dass er den Legaten nicht anblickte und dieser am Rande seines Gesichtsfeldes nur das dunkle, verfilzte Haar sah.
Endlich löste sich der Knoten. Vespasian stand auf und trat mehrere Schritte zurück, bevor er den Beutel in Augenschein nahm. Er war mit einem Zugband verschlossen und wirkte bis auf ein paar Verdickungen, die sich unter den weichen Stofffalten abzeichneten, nahezu leer. Er bemühte sich, seine Phantasie zu bändigen, und zwang sich, das Zugband zu lösen. Aus dem dunklen Beutel schimmerte ihm ein matter Goldglanz entgegen, und er griff hinein. Seine Finger schlossen sich um einen Stofffetzen und zwei Ringe, die er ins Sonnenlicht herauszog. Der eine Ring war zwar breit, aber recht schlicht und schmucklos. Innen war in feinen Großbuchstaben »Filius Plautii« eingraviert. Der zweite Ring war wesentlich prächtiger und fasste einen großen Onyx, in den, elfenbeinweiß vor dem glänzenden Hintergrund des dunklen Steins, ein Elefant als Kamee eingelegt war. Der Stofffetzen war aus fein gesponnener Wolle und mochte vom Saum einer Toga stammen. An einem der Ränder war ein schmaler Streifen purpurrot gefärbt, was seit alters her darauf hinwies, dass der Träger einer Senatorenfamilie angehörte.
Plötzlich durchlief Vespasian ein Frösteln, weit kälter als diesem spätwinterlichen Vormittag angemessen. Als ihm die Verbindung zwischen dem Präfekten und dem Inhalt des Beutels aufging, überkam ihn ein schreckliches Gefühl. Er musste sofort eine Botschaft an General Plautius schicken. Sorgfältig legte er Stoff und Ringe in den Beutel zurück und räusperte sich. Er schaute zu Macro auf.
»Zenturio!«
»Ja, Herr!«
»Lass die Leiche ins Lager schaffen. Bringt ihn ins Lazarettzelt. Ich möchte, dass die Leiche so schnell wie möglich für die Einäscherung vorbereitet wird. Und sorge dafür, dass sie … mit Respekt behandelt wird.«
»Selbstverständlich, Herr.«
Der Legat ging zum Tor und grübelte mit nachdenklich gesenktem Kopf über die schreckliche Bedeutung dessen nach, was er in dem Beutel gefunden hatte. Die Familie des Generals befand sich in der Hand der Druiden. Eben derselben Druiden, die in den Grenzdörfern und Handelsposten der Atrebates
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