Cato 03 - Der Zorn des Adlers
Legaten unterhalten.
Cato betrachtete Prasutagus’ üppige Haarmähne und fragte sich, wie gut sich der Hüne wohl noch an jenen Abend in Camulodunum erinnern mochte, an dem er wütend und betrunken seine Kusine in einer Schenke voller Römer erwischt hatte. Was auch immer in jener Nacht geschehen war, anscheinend hatte es eine Veränderung in Boudica bewirkt und ihre Beziehung zu Macro belastet. Vielleicht hatte Nessa ja Recht gehabt, und Boudica und Prasutagus waren einander mehr als nur Vetter und Kusine.
Dass von allen Briten, die ihre Hilfe hätten anbieten können, nun ausgerechnet Prasutagus und Boudica gekommen waren, erschien Cato wieder einmal typisch für die Widrigkeiten, die sein Schicksal bestimmten. Dieser Auftrag war auch so schon gefährlich genug; da hatte es gerade noch gefehlt, dass aus Macros und Boudicas Techtelmechtel zusätzliche Spannungen erwuchsen, in deren Gefolge Prasutagus sich dann in seinem aristokratischen Stolz auf jede Wurzel und Verzweigung seiner Familie gekränkt sehen würde.
Dann war da noch Prasutagus’ besonderes Wissen über die Durotriges und die Druiden des Dunklen Mondes. Praktisch jedes römische Kind wuchs mit den schauerlichsten Erzählungen über die Druiden und ihre dunkle Magie, die Menschenopfer und die blutgetränkten heiligen Haine heran. Bei Cato war das nicht anders gewesen, und im vergangenen Sommer hatte er selbst einen solchen Hain gesehen. Die schreckliche Atmosphäre dieses Ortes stand ihm noch immer lebhaft vor Augen. Wenn so die Welt aussah, in die Prasutagus eingetaucht war, wie viel von diesem Mann war dann immer noch Druide und nicht mehr ganz Mensch? Inwieweit fühlte Prasutagus sich seinen ehemaligen Herren und den anderen Druidenschülern noch verpflichtet? War der Eifer, mit dem er dem General half, nur ein verräterischer Plan, um den Druiden zwei weitere Römer in die Hände zu spielen?
Cato versuchte, seine Phantasie zu zügeln. Der Feind würde wohl kaum einen derartigen Aufwand betreiben, um einen einfachen Zenturio und seinen Optio zu fangen. Cato schalt sich, dass er wie ein verängstigter Schuljunge dachte und dabei seine eigene Bedeutung ins Ungeheure aufblähte.
Das erinnerte ihn an einen viele Jahre zurückliegenden Vorfall im kaiserlichen Palast, als er, ein kleines Kind noch, sich in ein geschnitztes Elfenbeinlöffelchen verguckt hatte, das auf einem Banketttisch lag. Er hatte es einfach stiebitzt und in den Falten seiner Tunika versteckt. Im Garten hatte er es dann an einem ruhigen Fleckchen genau betrachtet und über die geschmeidigen Delphine und Nymphen gestaunt, die den Griff verzierten. Plötzlich hatte er ein Rufen und Rennen gehört. Vorsichtig spähte er hinter seinem Busch hervor und erblickte eine Gruppe Prätorianer, die aus den Türen des Palasts in den Garten stürzten und zwischen den Ziersträuchern suchten. Der entsetzte Cato hatte geglaubt, der Löffeldiebstahl sei entdeckt worden, und nun brächten die kaiserlichen Soldaten den Dieb zur Strecke. Jeden Moment würde man ihn mit dem Diebesgut in der Hand erwischen und unter den kalten Augen Sejanus’, des Kommandanten der Prätorianergarde, zu Boden werfen. Wenn auch nur ein kleiner Teil dessen stimmte, was die Palastsklaven einander zuflüsterten, würde Sejanus ihm die Kehle durchschneiden lassen und seine Leiche den Wölfen zum Fraß vorwerfen.
Die Prätorianer kamen dem Versteck, wo der zitternde Cato saß und sich auf die Lippen biss, damit ihm kein verräterisches Gewimmer entschlüpfte, immer näher. Doch genau in dem Moment, als ein muskelbepackter Arm sich ins Gebüsch schob, ertönte in der Ferne ein Ruf:
»Caius! Wir haben ihn gefunden. Komm schon.«
Die Hand zog sich zurück, und schwere Schritte eilten auf den Steinplatten davon. Cato wäre vor Erleichterung beinahe in Ohnmacht gefallen. So unauffällig wie möglich schlüpfte er wieder in den Palast und legte den Löffel zurück. Anschließend ging er in die kleine Kammer, die er mit seinem Vater teilte, wartete ab und hoffte inständig, dass man das Wiederauftauchen des Löffels bald bemerken und die Verfolgungsjagd abbrechen würde.
Es war schon spät am Abend, als Catos Vater aus den Amtsräumen des kaiserlichen Sekretariats zurückkehrte. Im schwachen Schein einer Öllampe erkannte Cato die Anspannung in seiner Miene, und dann erblickten die grauen Augen des Vaters den Sohn, verblüfft, dass der Junge noch wach war.
»Du solltest längst schlafen«, flüsterte er.
»Ich konnte nicht
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