Cato 03 - Der Zorn des Adlers
weiter!«, rief er und wechselte dann wieder in seine eigene Sprache, da seine Lateinkenntnisse damit erschöpft waren.
»Herr«, wandte Cato leise ein. »Bitte, treib es nicht auf die Spitze. Er ist der Einzige, der den Weg kennt. Du musst ihn eben ertragen.«
»Ertragen!«, schnaubte Macro. »Der Schuft bettelt doch geradezu um einen Streit.«
»Den wir uns nicht leisten können«, erklärte Boudica. »Cato hat Recht. Wenn wir die Familie deines Generals retten wollen, dürfen wir uns nicht wegen Kleinigkeiten streiten. Also reg dich ab.«
Macro presste die Lippen zusammen und starrte sie wütend an.
Boudica zuckte einfach nur die Schultern und wendete ihr Pferd, um Prasutagus zu folgen. Cato, der nur zu gut wusste, wie schnell Macros Jähzorn aufflammte und sich auch wieder legte, schwieg und sah zur Seite, bis Macro seinem Pferd mit einem gemurmelten Fluch die Fersen in die Weichen stieß und die kleine Gruppe ihren Weg fortsetzte.
Bei Anbruch der Abenddämmerung erreichten sie den Rand des Waldes und Catos Stimmung hob sich ein wenig, als die Schatten der dunklen, uralten Bäume hinter ihnen zurückblieben. Ihr Weg senkte sich zu einer Auenlandschaft hinab, die sich auf beiden Seiten eines Flusses dem Horizont entgegenschlängelte. Hier und da waren ein paar Schafe auf den Wiesen verstreut und fraßen eifrig von den grünen Spitzen, die aus der schmelzenden Schneedecke herauslugten. Als der Weg einen Bogen nach rechts machte, tauchte in einer Meile Entfernung, von einer Palisade umfriedet, eine große Rundhütte auf, aus der eine dünne Rauchsäule aufstieg. Prasutagus zeigte darauf und richtete ein paar Worte an Boudica.
»Dort werden wir die Nacht verbringen. In der Nähe liegt eine Furt, wo wir den Fluss am Morgen überqueren können. In der Nacht dürften wir wohl sicher sein. Prasutagus war vor einigen Jahren mit dem Bauern bekannt.«
»Vor einigen Jahren?«, fragte Macro. »In einigen Jahren kann sich vieles ändern.«
»Mag sein. Aber ich möchte diese Nacht nicht im Freien verbringen, solange es nicht wirklich nötig ist.«
Als Boudica weiterritt, beugte Macro sich im Sattel vor und hielt sie an der Schulter fest.
»Wart mal einen Moment. Wir müssen irgendwann miteinander reden.«
»Irgendwann«, stimmte Boudica zu. »Aber nicht jetzt.«
»Wann dann?«
»Ich weiß es nicht. Zur rechten Zeit. Und jetzt lass mich los, du tust mir weh.«
Macro suchte in ihren Augen nach irgendeinem Hinweis auf die Zuneigung und Fröhlichkeit, die er von früher kannte, doch Boudicas Miene war müde und zeigte keinerlei Gefühle. Seine Hand glitt von ihr ab, und Boudica trieb rasch ihr Pferd an.
»Verdammte Weiber«, knurrte Macro. »Cato, mein Junge, lass dir eins gesagt sein. Lass dich nie zu sehr auf die Weiber ein. Die können mit dem Herzen eines Mannes merkwürdige Dinge anstellen.«
»Ich weiß, Herr.«
»Natürlich. Tut mir Leid, das hatte ich vergessen.«
Cato, der nicht bei der schmerzlichen Erinnerung an Lavinia verweilen wollte, zog das Lasttier am Zügel und ritt auf ihr Ziel zu. Im nachlassenden Licht wurde der bleierne Himmel sogar noch dunkler, und die Landschaft färbte sich eintönig grau. Die Palisade und die Hütte verschwammen immer stärker, abgesehen von einem stecknadelkopfgroßen orangeroten Schimmer, der aus der Türöffnung der Hütte herausdrang und ihnen Wärme und Schutz vor der kalten Nacht versprach.
Als sie sich näherten, machte jemand eilig das Tor zu, und über den angespitzten Pfosten der Palisade tauchte ein Kopf auf. Sie wurden angerufen. Prasutagus schrie eine Antwort, und als sie so nahe waren, dass man ihn erkennen konnte, wurden die Torflügel wieder geöffnet, und die kleine Gruppe ritt ein. Prasutagus stieg ab, trat zu einem untersetzten Mann, der kaum älter als Cato wirkte, und ergriff ihn in einer förmlichen, aber freundlichen Begrüßung bei den Unterarmen. Wie sich herausstellte, war der Bauer, den Prasutagus gekannt hatte, vor drei Jahren gestorben und in einem kleinen Obstgarten hinter der Palisade beerdigt. Im vergangenen Sommer war sein ältester Sohn bei der Schlacht um die Medway-Überquerung im Kampf gegen die Römer gefallen. Jetzt führte der jüngere Sohn Vellocatus den Hof und hatte Prasutagus auch noch gut in Erinnerung. Er warf einen Blick auf Prasutagus’ Begleiter und machte eine leise Bemerkung. Prasutagus lachte und verwies bei seiner Antwort mit einer knappen Kopfbewegung auf Boudica und die anderen. Vellocatus starrte sie einen Moment
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