Cato 04 - Die Brüder des Adlers
ein Dutzend Gesichter, vom Schein der Fackeln an den Saalwänden nur schwach beleuchtet, wandten sich den beiden Zenturionen zu. Macro beugte sich dichter zu Cato. »Ein Haufen verängstigter Kelten. Ich dachte, so etwas würde ich niemals erleben.«
»Man kann es ihnen wohl kaum verübeln. Sollte der König sterben, haben sie sowohl ihn als auch den vorgesehenen Nachfolger verloren. In so einem Fall kann alles passieren. Die Nachfolge ist vollkommen offen. Der Rat muss einen neuen König wählen. Wollen wir hoffen, dass sie sich von Quintillus zu jemandem überreden lassen, unter dem die Atrebates auf unserer Seite bleiben.«
»Wo ist denn unser prachtvoller Tribun?«
»Er berät sich mit ihnen in Vericas Audienzraum.«
»Dann hoffe ich, dass er seinen Charme spielen lässt.«
»Charme wohl kaum«, murmelte Cato. »Ich könnte mir vorstellen, dass er die Folgen, die eine Verschlechterung der Beziehung zu Rom mit sich brächte, aufs Drastischste schildert. Wollen wir im Interesse aller hoffen, dass er es schafft, ihnen so viel Angst einzujagen, dass sie vernünftig bleiben.«
Macro schwieg einen Moment und fuhr dann gedämpft fort: »Denkst du, der Tribun wird Erfolg haben?«
»Wer weiß?«
»Hast du irgendeine Vorstellung, für wen sie sich entscheiden könnten?«
Cato überlegte einen Moment lang. »Tincommius ist die naheliegendste Wahl. Oder Cadminius. Falls sie Frieden mit Rom wollen.«
»Das denke ich auch.« Macro nickte. »Cadminius wäre am besten.«
»Cadminius? Ich glaube kaum, dass wir ihn gut genug kennen.«
»Meinst du etwa, dass du Tincommius wirklich kennst?« Macro sah seinen Freund ernst an. »So gut, dass du ihm dein Leben anvertrauen würdest? Es wäre verrückt, irgendeinem von denen zu trauen.«
»Vermutlich.« Cato fuhr sich mit der schmutzigen Hand durchs strähnige Haar und runzelte die Stirn. »Aber mir scheint, wenn wir überhaupt irgendjemandem vertrauen können, dann Tincommius.«
»Da bin ich anderer Meinung.«
»Warum denn?«
Macro zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht recht. Irgendwas an der Sache mit Artax kommt mir merkwürdig vor.«
»Artax?«, fragte Cato wegwerfend. »Ich hatte immer das Gefühl, dass er irgendwas im Schilde führt, insbesondere nachdem ich ihn damals auf dem Übungsplatz blamiert habe. Artax habe ich nie über den Weg getraut. Und ich hatte Recht.«
»Sicher …«
»Ich frage mich, was Verica sich nur gedacht hat, als er ihn zum Nachfolger ernannte. Damit hat er sein eigenes Todesurteil unterzeichnet.«
»Da irrst du dich, Cato.« Macro schüttelte den Kopf. »Eigentlich war Artax’ Verhalten ziemlich unsinnig. Verica ist ein alter Mann. Es war kaum damit zu rechnen, dass er noch lange zu leben hatte. Warum hat Artax nicht einfach abgewartet?«
»Du weißt doch, wie die Eingeborenen sind.« Cato wies mit einem verstohlenen Nicken auf die im Saal versammelten Kelten. »Ungeduldig und hitzköpfig. Ich nehme an, Artax stieß während der Jagd allein auf den König und beschloss, eine Abkürzung zum Thron einzuschlagen. Zu unserem Glück war Tincommius da.«
»Du sagst es.«
»Jemand wie Artax ist wirklich der Letzte, den wir hier in Calleva an der Macht brauchen können. So lange Caratacus sein Unwesen treibt, haben wir genug Sorgen, auch ohne ständig einen Gesinnungswandel der Atrebates befürchten zu müssen. Wenn sie uns in den Rücken fallen, sitzen wir wirklich in der Patsche. Dann hilft nur noch die Flucht … Andererseits …«
»Ja?«
»Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass uns noch etwas Schlimmeres bevorsteht. Das Schlimmste kommt noch.«
»Ach, Quatsch!« Macro versetzte Cato einen Klaps auf die Schulter. »Musst du denn immer schwarz sehen? Seit ich dich kenne, ist es immer dasselbe, immer steht uns noch ›irgendwas Schlimmeres‹ bevor. Reiß dich mal zusammen, Junge. Oder besser noch, halt mal deinen Becher hin. Hier, ich geb einen aus. Die Stimmung steigt mit dem Alkoholpegel. «
Einen Moment lang ärgerte Cato sich, dass Macro ihn Junge nannte. Vor ein paar Monaten, als er noch Macros Optio war, war das völlig in Ordnung gewesen, aber inzwischen hatte er seine Beförderung zum Zenturio hinter sich. Doch er schluckte seine Verstimmung herunter; wenn sie sich als Offiziere vor den Augen dieser ohnehin schon nervösen Eingeborenen stritten, wäre das – nun, der ganzen Sache nicht gerade förderlich. Daher zwang er sich, das Bier zu leeren, das Macro ihm eingeschenkt hatte, achtete aber darauf, den
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