Cato 05 - Beute des Adlers
anderen Hand. Alle Augen waren auf den Waldrand gerichtet, wo die Straße aus dem Schatten über die Wiese zum Lager führte. Schweigend warteten sie auf das Auftauchen der Reiter, doch nichts geschah. Keine Hufschläge, keine Schlachtrufe – die Eichen standen still und stumm da, und auf der Straße, die in den Wald führte, regte sich nichts. Während die Legionäre und die drei Männer angespannt warteten, ertönte aus einem Baumwipfel das heisere Trillern einer Taube.
Der Optio wartete noch einen Augenblick ab, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Fremden, die seine wohlverdiente Pause nach dem anstrengenden Holzschlagen unterbrochen hatten.
»Und?«
Narcissus wandte den Blick von der Straße ab und zuckte mit den Schultern. »Sie müssen sich zurückgezogen haben, sobald wir in Sicherheit waren.«
»Sofern sie überhaupt da waren.« Der Optio hob eine Augenbraue. »Also, hättet ihr jetzt die Güte, mir zu erzählen, was hier eigentlich los ist?«
KAPITEL 3
D er Bart steht dir nicht.«
Narcissus zuckte mit den Schultern. »Erfüllt aber seinen Zweck.«
»Wie war die Reise?«, erkundigte sich General Plautius höflich.
»Was? Abgesehen davon, dass ich einen Monat lang jede Nacht in einer flohverseuchten Herberge verbringen musste, abgesehen davon, dass ich diese unbeschreiblich grässliche Pampe zu mir nehmen musste, die hier bei den unteren Schichten als Essen durchgeht, und abgesehen davon, dass ich von einem Haufen gedungener Mörder bis zur Schwelle deines Lagers verfolgt wurde … «
»Ja. Abgesehen davon.« Der General grinste. »Wie war die Reise?«
»Eilig.« Narcissus nahm einen weiteren Schluck Zitronenwasser. Der Privatsekretär des Kaisers und der General saßen unter einem Sonnensegel, das auf einem kleinen Hügel neben den Zelten, die das Hauptquartier des Lagers bildeten, errichtet worden war. Auf dem kleinen Marmortisch zwischen ihren Stühlen standen ein reich verzierter Wasserkrug und zwei Karaffen, die von einem Sklaven als Erfrischung gereicht worden waren. Narcissus hatte seine schweißgetränkte Reitkleidung gegen eine leichte Leinentunika getauscht. Trotzdem trieben die drückende Luft und die tief am nachmittäglichen Himmel stehende Sonne den Männern den Schweiß aus den Poren.
Das Lager breitete sich zu allen Seiten aus. Narcissus, der nur die wesentlich kleineren Lager der Prätorianer aus Rom kannte, war von dem Spektakel beeindruckt. Natürlich beobachtete er nicht zum ersten Mal, wie sich die in Britannien stationierten Truppen auf einen Feldzug vorbereiteten. Er war dabei gewesen, als die vier Legionen samt Hilfstruppen vor einem Jahr Caratacus ’ Armee zerschmettert hatten.
Der Anblick der wohlgeordneten Zeltreihen stimmte ihn zuversichtlich. Jedes Zelt wies auf die Anwesenheit von acht Männern hin. Manche exerzierten im Lager, andere schärften ihre Schwerter oder kehrten gerade von Expeditionen ins Umland zurück, auf denen sie Getreidekörbe und Nutztiere beschlagnahmt hatten. Diese disziplinierte Ordnung ließ die unbezwingbare Macht Roms erahnen. Mit einer so gewaltigen, gut ausgebildeten Truppe war es nur schwer vorstellbar, dass der Plan des Kaisers, diese Insel und seine Stämme dem Imperium einzuverleiben, scheitern könnte.
Doch genau diese Vorstellung beschäftigte Narcissus und war auch der Grund, warum er in geheimer Mission die weite Reise von Rom zu diesem entlegenen Tamesisufer zurückgelegt hatte.
»Wie lange gedenkst du zu bleiben?«, fragte der General.
»Wie lange?« Narcissus wirkte belustigt. »Du hast noch nicht mal gefragt, warum ich überhaupt hier bin.«
»Nun, ich könnte mir vorstellen, dass du dich nach dem Fortschritt des Feldzugs erkundigen willst.«
»Das auch«, gab Narcissus zu. »Und, wie stehen die Dinge?«
»Das solltest du doch wissen. Oder hast du die Berichte nicht gelesen, die ich nach Rom geschickt habe?«
»Ach, die. Ja, sehr aufschlussreich und äußerst detailliert. Ein schöner Stil, wenn mir die Bemerkung gestattet ist. Erinnert mich irgendwie an Cäsars Commentarii . Es bedarf sicher eines scharfen Verstandes, um eine so große Streitmacht zu befehligen … «
Plautius kannte Narcissus lange genug, um immun gegen die einnehmenden Schmeicheleien zu sein, die dessen größtes Kapital darstellten. Außerdem war er ausreichend mit den feinen Nuancen in der Rede des kaiserlichen Hofstaats vertraut, um die unterschwellige Drohung in der letzten Bemerkung des kaiserlichen Sekretärs zu
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