Cato 05 - Beute des Adlers
bemerken.«
»Spione des Feindes in meinem Lager?« Plautius täuschte tiefe Betroffenheit vor. »Was denn noch? Spione des Kaisers?«
»Deine Ironie wird gebührend zur Kenntnis genommen, Plautius. Doch nimm es meinen Männern nicht übel. Sie sind hier, um dich zu beschützen und diejenigen auszukundschaften, die eine Bedrohung für den Kaiser darstellen.«
»Und wovor müsste ich wohl beschützt werden?«
Narcissus lächelte. »Vor dir selbst, mein lieber Plautius. Ihre Anwesenheit soll dich daran erinnern, dass die Augen und Ohren des kaiserlichen Palastes überall sind. Und dass unsere politisch bisher unauffälligen Befehlshaber ihre Zungen hüten und ihren Ehrgeiz im Zaum halten sollten.«
»Hältst du mich etwa für so ehrgeizig?«
»Ich weiß nicht.« Narcissus strich sich über den Bart. »Sollte ich das?«
Die beiden Männer starrten sich einen Augenblick lang stumm an. Dann sah General Plautius auf das Glas hinab, das er in den Fingern drehte. Narcissus lachte leise.
»Das dachte ich mir. Was mich zu meiner nächsten Frage bringt. Wenn du dem Kaiser die Treue hältst – wieso bemühst du dich dann, ihm nach Kräften zu schaden?«
Mit einem lauten Knall stellte der General das leere Glas auf dem Tisch ab und verschränkte die Arme. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
»Lass es mich anders sagen – in möglicherweise weniger verfänglichen Worten: Warum setzt du dich nicht stärker für die Belange des Kaisers ein? Soweit ich sehen kann, hat deine Armee bisher kaum mehr fertiggebracht, als die Eroberungen des letzten Jahres zu halten. Der einzige nennenswerte Vorstoß geht auf das Konto von Legat Vespasian und seiner Zweiten Legion im Südwesten. Noch hast du Caratacus nicht gestellt und besiegt, obwohl deine Armee ihm weit überlegen ist und sich die Hälfte der Stämme dieser götterverlassenen Insel auf unsere Seite geschlagen hat. Ich kann mir wahrlich keine günstigeren Umstände vorstellen, um einen Vorstoß zu wagen, den Feind zu vernichten und diesem kostspieligen Feldzug ein Ende zu setzen.«
»Ah, um die Kosten geht es also.« General Plautius schnaubte verächtlich. »Nicht alles auf dieser Welt kann man in Geld bemessen.«
»Falsch!«, blaffte Narcissus, bevor der Patrizier ansetzen konnte, eine hochtrabende Rede über Roms Bestimmung und die Pflicht einer jeden Generation, die Grenzen des glorreichen Imperiums zu erweitern, zu schwingen. »Alles auf dieser Welt hat seinen Preis. Alles! Manchmal wird dieser Preis in Gold ausbezahlt. Manchmal in Blut, doch bezahlt wird er immer. Der Kaiser braucht einen Sieg in Britannien, um seine Position zu festigen. Und wenn es Rom das Leben vieler Tausende seiner besten Soldaten kostet. Das ist kein großer Verlust und leicht wieder auszugleichen. Neue Männer wird es immer geben – doch einen weiteren Kaiser zu verlieren, das können wir uns nicht leisten. Die Ermordung Caligulas hat das Imperium beinahe in die Knie gezwungen. Hätten die Prätorianer Claudius ’ Anspruch auf den Titel nicht unterstützt, wäre ein neuer Bürgerkrieg ausgebrochen, und machtlüsterne Generäle hätten in ihrem Streben nach Ruhm die Legionen aufeinandergehetzt. Dann wäre Rom schon bald nur ein weiteres Kapitel in der Geschichte gefallener Mächte geworden. Welcher vernünftige Mann könnte der Welt ein solches Schicksal wünschen?«
»Sehr schön. Sehr treffend gesagt«, erwiderte Plautius. »Aber was hat das mit mir zu tun?«
Narcissus seufzte geduldig. »Dein langsamer Fortschritt kommt uns teuer zu stehen. Der Ruf des Kaisers leidet. Seit der letzten Feier anlässlich eines Sieges in Britannien ist über ein Jahr vergangen. Und doch erhalte ich ständig neue Forderungen nach weiteren Truppen, Waffen und Vorräten.«
»Wir müssen das Gebiet befrieden.«
»Nein. Man kann ein Gebiet erst befrieden, nachdem man den Feind besiegt hat. Du verbrauchst nur wertvolle Ressourcen. Diese Insel ist wie ein Schwamm. Andauernd saugt sie Männer, Geld und politische Macht in sich auf. Wie lange soll das noch so weitergehen, mein lieber General?«
»Wir machen Fortschritte. Das ist auch in meinen Berichten zu lesen. Langsam, aber sicher. Wir drängen Caratacus Meile um Meile zurück. Schon bald wird ihm nichts anderes mehr übrig bleiben, als sich uns zu stellen und zu kämpfen.«
»Und wann, General? In einem Monat? Einem Jahr? Oder noch später?«
»Es ist wohl eher eine Frage von Tagen.«
»Tage?« Narcissus sah ihn zweifelnd an. »Bitte erklär mir
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