Cato 08 - Centurio
sich nichts dran machen«, endete Macro. »Tu mir also den Gefallen, halt den Mund und schlaf ein bisschen. Wir brauchen allen Schlaf, den wir kriegen können.«
Macro drehte Cato den Rücken zu und zog den Mantel eng um seinen stämmigen Körper. Kurz darauf war er eingeschlafen, und sein dröhnendes Schnarchen vereinigte sich mit dem fernen Schnarchchor der anderen Männer, nur hier und da unterbrochen von den leisen Stimmen der Schlaflosen und einem gelegentlichen Schnauben
und Wiehern der Pferde. Aber Cato dachte weiter über die Situation nach und fand keinen Schlaf. Ihre Chancen standen schlecht, und obwohl er verstand, dass der Statthalter Entsatz nach Palmyra schicken musste, kam es Cato so vor, als wäre ihre Mission kaum mehr als eine verzweifelte Geste. König Vabathus war vielleicht schon längst getötet worden, zusammen mit dem Botschafter und seinem kleinen Gefolge. Vielleicht konsolidierte Artaxes schon seine Herrschaft und öffnete sein Königreich den Parthern. Falls das geschah, wäre die empfindliche Machtbalance, die im Osten des Reichs für Frieden sorgte, zerbrochen. Das Partherreich könnte seine schnell beweglichen Truppen direkt an der Grenze Syriens zusammenziehen und das römische Territorium von Armenien bis Ägypten bedrohen. Kaiser Claudius wäre gezwungen, seine Armeen im Osten unter großem Aufwand zu verstärken und Legionen von der Rheingrenze abzuziehen, die ohnehin schon überdehnt war. Entweder das, oder er musste dem Partherreich große Gebiete überlassen und damit den Zorn des Pöbels und seiner politischen Rivalen in Rom auf sich ziehen.
All das wäre vermeidbar gewesen, dachte Cato. Wenn Rom sich damit zufriedengegeben hätte, Palmyra als Pufferstaat zwischen dem Imperium und dem Partherreich zu belassen, hätte der Frieden andauern können, wenn auch ein unguter Frieden. Aber im Moment der Unterzeichnung des Vertrags mit König Vabathus war die Konfrontation mit den Parthern absehbar gewesen. Cato fühlte kalte Wut in sich aufsteigen, als er über die Politiker in Rom nachdachte, die fern der Konsequenzen ihrer Machtspielchen ein Leben in Luxus führten. Vielleicht
hatten sie sich ausgerechnet, dass ihre Pläne für Palmyra das Risiko einer Provokation der Parther rechtfertigten, so wie man beim Würfelspiel auf eine bestimmte Zahl setzen mochte. Aber hier an der Grenze bestand der Einsatz in dem Leben der Männer, die rund um Cato in der Dunkelheit schliefen. Männer, deren Durchhaltevermögen in den bevorstehenden Tagen bis zur Grenze erprobt werden würde, bevor sie auch nur die Gelegenheit bekamen, sich mit dem Feind zu messen. Falls sie gewannen, würde man in Claudius’ Palast in Rom eine Markierung ein kleines Stück auf der Landkarte verschieben. Falls sie verloren, würde man das Markierungszeichen beiläufig vom Kartentisch nehmen und wegwerfen.
Bei diesem Gedanken lächelte Cato bitter und verfluchte sich dafür, dass er seine Handlungen stets im umfassendsten Kontext sehen musste. Eine Zeit lang sah er neidisch auf den schlafenden Macro. Endlich, lange nachdem beinahe alle anderen Soldaten zur Ruhe gefunden hatten, fiel Cato auf dem kalten, harten Boden in einen unruhigen Schlaf.
Am nächsten Tag verließ die Kolonne die Berge und stieß auf der Straße nach Chalkis in die gewellte, staubige Ebene vor. Macros Sorgen zum Trotz begegneten ihnen nur die üblichen Handelskarawanen, von denen die Männer eilig Obst und Wein zu Wucherpreisen kauften. Unterdessen wuchs die Zahl der Nachzügler ständig an, und als sie drei Tage nach dem Aufbruch aus Antiochia Chalkis erreichten, entnahm Cato den Meldelisten, dass acht Mann der Zweiten Illyrischen das Lager nicht rechtzeitig zum Morgenappell erreicht hatten. Er saß im Schatten
der Palmen, die den kleinen See säumten, an dessen Ufer die Stadt Chalkis lag. Wie die anderen Städte, die an den alten Handelsstraßen gegründet worden waren, erhob die Stadt Chalkis Steuern von den Kamelkarawanen, die durch ihr Gebiet zogen, und ihre Einwohner lebten in beneidenswertem Wohlstand. Doch nun waren die Leute beunruhigt durch die Nachrichten von dem Aufstand in Palmyra und die Gerüchte über den anstehenden Konflikt zwischen Rom und dem Partherreich. Sie liefen in kleinen Gruppen zusammen, um die römische Kolonne zu beobachten, die vor der Stadt haltmachte, um sich auszuruhen und die Feldflaschen und Wasserschläuche im See aufzufüllen.
Cato konnte die Nervosität der Bevölkerung gut verstehen. Ihre isolierte Lage,
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