Cato 09 - Gladiator
reflektierten Fackelschein. Er blinzelte, rieb sich die Augen und gähnte herzhaft, dann setzte er seine Arbeit fort. Mehrere Wachsnotizbücher waren auf seinem Schreibtisch gestapelt. Darin war die Stärke einer jeden Centurie verzeichnet, zusammen mit den Namen der besten Soldaten. Die Toten und Vermissten waren mit einem Kreuz markiert. Außerdem hatte der Quartiermeister den Lagerbestand aufgeführt, und es war eine Meldung des einzigen Helfers beigefügt, der dem Wundarzt der Kohorte zugeteilt worden war. Der Wundarzt hatte sich zur Zeit des Erdbebens im Hafen aufgehalten und wurde immer noch vermisst. Die Kasernen, die als Krankenquartiere dienten, quollen über von Verletzten, und der Helfer forderte Verstärkung an.
Als hätte er nicht schon Sorgen genug, hatte Macro eine Patrouille in die Bucht geschickt, welche die Besatzung und die Passagiere von der Horus in die Akropolis bringen sollte. Dort würde man ihnen eine Unterkunft geben, und Macro würde mit den einsatzfähigen Männern so lange, bis die Notlage bewältigt war, die Reihen der Kohorte auffüllen.
Gleich nach Übernahme des Kommandos hatte er die Männer inspiziert, die auf dem Hof nach Centurien geordnet angetreten waren. Portillus zufolge hatte nur die Hälfte seiner Leute das Erdbeben überlebt. Die verbliebenen Soldaten waren erschüttert über den Verlust ihrer Kameraden und dem grauenhaften Wüten des Gottes, der seinen Zorn über dem Hafen entladen hatte. Als Macro langsam die Reihen der Zwölften Hispania abschritt, entging seinem kundigen Blick nicht, dass die Kohorte nicht anders war als die meisten Garnisonseinheiten, die in den als sicher geltenden Provinzen des Reiches stationiert waren. Vor sich hatte er eine Mischung von ausgelaugten Kämpen, die ungeduldig auf ihre Entlassung aus dem Dienst warteten, und Soldaten, die im Kampf Verletzungen davongetragen hatten und nach Kreta versetzt worden waren, um dort leichten Ordnungsdienst zu verrichten. Schließlich waren da noch eine Handvoll Einfaltspinsel und einige magere Jugendliche, die bestenfalls imstande waren, eine Waffe zu halten, ohne sich selbst oder ihre Kameraden damit zu verletzen.
Macro schüttelte den Kopf. Wie es aussah, würde die Kohorte wenig dazu beitragen können, die Ordnung wiederherzustellen und den überlebenden Zivilisten zu helfen. In den nächsten Tagen musste er irgendwo bessere Leute auftreiben. Aber woher sollte er sie nehmen? Er seufzte. Dem Inventar des Quartiermeisters war zu entnehmen, dass die Kohorte in den letzten Jahren richtiggehend auf den Hund gekommen war. Die verschiedenen Statthalter hatten sich jeweils nach Kräften bemüht, die laufenden Kosten der Provinz radikal zu senken, um sich beim Kaiser und beim römischen Senat lieb Kind zu machen. Beschädigte Ausrüstung war nicht ersetzt worden, und die Soldaten waren gezwungen gewesen, die Versorgungslücken auf den hiesigen Märkten zu schließen. Jetzt waren sie mit einer kuriosen Mischung aus römischen Utensilien und alten gallischen und griechischen Helmen und Schwertern ausgerüstet. Es gab ein paar Schleudern, für die kaum Bleimunition vorhanden war, und die Nahrungs- und Wasserreserven waren kaum der Rede wert. Zwei der Zisternen der Akropolis waren knochentrocken, die dritte nur zur Hälfte gefüllt; außerdem war das Wasser kaum genießbar, wie Macro feststellte, als er mit dem Quartiermeister über die Steinstufen ins kühle Innere der Zisterne hinuntergestiegen war.
»Das schmeckt ja widerlich!« Er spuckte das eklige Wasser aus, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und stieg wieder nach oben. »Wann wurde die Zisterne zum letzten Mal geleert und gereinigt?«
Der Quartiermeister zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, Herr. Das muss vor meiner Zeit gewesen sein.«
»Wie lange bist du schon hier?«
»Seit sieben Jahren, Herr.«
»Sieben Jahre«, wiederholte Macro mit ausdrucksloser Stimme. »Und wie das Wasser schmeckt, war dir egal?«
»Nein, Herr«, entgegnete der Quartiermeister empört. Er hatte ein verhutzeltes Gesicht, doch seine Narben waren Beleg dafür, dass er einmal im aktiven Dienst gewesen war. Der Quartiermeister fuhr fort: »Der Präfekt hat mir befohlen, mich nicht darum zu kümmern. Er hat gemeint, wir wären eine Garnisonstruppe, und da in der Provinz Frieden herrsche, habe es keinen Sinn, Vorbereitungen für eine Belagerung zu treffen, Herr.«
»Ich verstehe. Also, das wird sich ändern. Im Morgengrauen möchte ich dich und deine Schreiber da
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