Cato 09 - Gladiator
Zitadelle von Palmyra. Sie hatte sich kein bisschen geziert, keinen Zuschlag zu den kargen Rationen verlangt, die den übrigen Verteidigern der Stadt zugeteilt wurden, und sich der Verwundeten und Sterbenden angenommen. Julia war keine weinerliche Vertreterin der verhätschelten Aristokratie. Sie hatte bereits bewiesen, wozu sie imstande war.
»Sie wird schon zurechtkommen«, entgegnete Macro. »Sie ist schließlich kein Kind mehr. Julia Sempronia ist hart im Nehmen. Außerdem hat sie keine andere Wahl.«
Portillus ließ die Luft aus seinen geblähten Wangen entweichen. »Mir wäre es lieber, du würdest ihr das sagen, Herr. Vielleicht habe ich ja zu tun. Die Pflicht ruft und so.«
»Ja, mach du nur«, erwiderte Macro barsch. »Und vergiss nicht, was ich dir gesagt habe. Von jetzt an gibt es in der Kohorte keinen Schlendrian mehr, und das gilt für Offiziere wie einfache Soldaten gleichermaßen.«
»Verstanden, Herr.« Portillus verneigte sich und eilte hinaus. Macro betrachtete einen Moment lang den Becher mit Wein, dann hob er ihn gierig an die Lippen und leerte ihn.
»Ahhh! Das war nötig.« Er wischte sich einen Weintropfen vom Kinn und lehnte sich mit zufriedenem Lächeln zurück. Von den Anstrengungen des vergangenen Tages und der Nacht tat ihm alles weh, und seine Augen brannten. Er schloss sie einen Moment und überließ sich der wohltuenden Wirkung des Weins. Der Rebensaft prickelte noch in seinem Hals, und im Bauch breitete sich wohlige Wärme aus. Er verschränkte die Hände.
»Nur einen Moment ausruhen«, brummte er. »Nur einen kleinen Moment …«
»Störe ich?«
»Wa-wa-was?« Macro setzte sich auf und schlug blinzelnd die Augen auf. Auf der Türschwelle seines Büros stand Julia und grinste ihn an.
»Ich frage nur, weil du so laut geschnarcht hast.«
»Ich?« Macro schüttelte verlegen den Kopf. »Unsinn. Ich habe nur Selbstgespräche geführt.«
»Mit geschlossenen Augen.«
Macro musterte sie stirnrunzelnd. »Ich kann nämlich zwei Dinge gleichzeitig tun, junge Herrin.«
»Entschuldige, Macro. Ich wollte dich nicht kränken. Nach allem, was wir durchgemacht haben, bist du bestimmt erschöpft. Wie wir alle.«
»Wo sind nur meine verdammten Manieren abgeblieben?«, brummte Macro, sprang auf und schob eilig einen Stuhl zum Tisch. Er klopfte darauf. »Bitte, Herrin Julia. Setz dich.«
»Danke.« Sie seufzte schwer. »Wo sind mein Vater und Cato?«
»Weggeritten, Herrin.«
»Weg?«
»Nach Gortyna. Gleich nachdem wir erfahren haben, dass der Statthalter, dessen Würdenträger und hohen Offiziere vom Erdbeben überrascht wurden. Die meisten waren auf der Stelle tot. Der Senator und Cato haben sich zwei Pferde aus den Stallungen geholt und sind gleich losgeritten.«
»Typisch«, meinte Julia nicht ohne Bitterkeit. »Hat er mir etwas ausrichten lassen?«
»Äh, eigentlich nicht.«
»Und Cato?«
»Oh, der lässt dich lieb grüßen und hat mir aufgetragen, auf dich aufzupassen, bis er wieder da ist.«
Julia schüttelte den Kopf. »Du bist ein kläglicher Lügner, Macro. Bei Leuten, die damit Erfahrung haben, wie zum Beispiel mein Vater, solltest du das besser lassen.«
»Wenn du das sagst.«
Julia schaute sich in der Schreibstube um, dann blickte sie durchs Fenster zu den Hügeln hinüber. Dort brannten ein paar Lagerfeuer, und winzige Gestalten wimmelten im Flammenschein umher. »Ich konnte kaum glauben, was ich auf dem Herweg gesehen habe«, sagte sie leise. »Ich dachte eigentlich, auf dem Schiff hätte es uns schon schlimm getroffen. Aber das hier?«
»Es hat uns schlimm getroffen, Herrin. Wir können von Glück sagen, dass wir überlebt haben. Aber du hast Recht, es muss schrecklich gewesen sein, als die Flutwelle den Hafen überrollt hat. Portillus hat berichtet, man habe ein gewaltiges Dröhnen und Grollen gehört, dann hätten die Gebäude gebebt und wären eingestürzt, die baufälligsten und ältesten zuerst. Darin waren natürlich die ärmsten Bewohner von Matala zusammengepfercht. Tausende wurden von den Trümmern begraben. So plötzlich, wie es angefangen hatte, hörte es dann wieder auf. Die armen Schweine, die überlebt hatten, müssen geglaubt haben, damit sei das Unglück überstanden.« Macro zuckte mit den Schultern. »Dann kam die Welle und hat alles und jeden mitgerissen. Portillus schätzt, dass dabei ebenso viele Menschen umgekommen sind wie beim Erdbeben.«
Julia erwiderte schweigend seinen Blick, dann schüttelte sie den Kopf und murmelte: »Barmherzige
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