Cato 09 - Gladiator
sein Zelt herum. Selbst wenn Macro und Julia aus dem Käfig hätten entkommen können, wäre es ihnen unmöglich gewesen, aus dem Lager zu fliehen. Aufgrund ihres verdreckten Zustands wären sie jedem aufgefallen, und man hätte sie umgehend wieder eingefangen
Unten in der Bucht errichteten die Aufständischen um die von Land aus zugänglichen Schiffe herum eilig Barrikaden. Ein Stück landeinwärts wurde ein Palisadenzaun mit in regelmäßigen Abständen angeordneten Wachtürmen gebaut. Die Besatzungen der Getreideschiffe und die kleinen Soldatenkontingente, welche sie vor Piraten hatten schützen sollen, waren in der Mitte des Hauptlagers auf einem umzäunten Gelände untergebracht. Die Schiffe selbst wurden von den Aufständischen streng bewacht. Diejenigen, die vom Sturm am stärksten in Mitleidenschaft gezogen worden waren, hatte man an den Strand gezogen, die anderen waren mit Tauen verbunden und lagen draußen in der Bucht vor Anker. Ajax wollte seine kostbare Beute aus gutem Grund unter keinen Umständen gefährden. Wenn Macro den Kopf wandte, sah er durch die Lücke zwischen zwei Zelten, die das Hauptquartier der Aufständischen darstellten, das Meer. Etwa eine Meile vor der Küste zeichneten sich die Umrisse römischer Kriegsschiffe ab. Das war doch immerhin etwas, überlegte Macro. Ajax mochte die Getreideflotte gekapert haben, doch er würde die Insel trotzdem nicht verlassen können.
Macros Blick wanderte zu Julia, die in der gegenüberliegenden Käfigecke hockte. Sie ließ den Kopf hängen, das verfilzte Haar fiel ihr über die Schultern.
»Bist du wach?«, fragte Macro leise. »Julia?«
Langsam schaute sie hoch; die glitzernden Streifen in ihrem verdreckten Gesicht verrieten, dass sie wieder geweint hatte. Sie schluckte und leckte sich die Lippen.
»Ich hab Durst«, krächzte sie.
»Ich auch.«
Morgens, mittags und abends gab man ihnen Wasser und einen dünnen Eintopf. So war es, seit man sie in den Käfig gesteckt hatte; tagein, tagaus das Gleiche, seit das Aufständischenheer die Belagerung Gortynas abgebrochen hatte. Ajax wollte, dass seine Gefangenen das Gleiche zu essen bekamen wie die Sklaven auf den Besitzungen. Zu den genannten Zeiten kamen ein altes Weib und ein kräftiger Angehöriger der Leibwache des Gladiators und versorgten sie. Der Ablauf war immer der Gleiche. Der Mann befahl ihnen, nach hinten zu rutschen, dann schloss er die Tür auf. Die alte Frau setzte zwei zerbeulte Kupfertöpfe mit Schöpfkellen ab; in dem einen war Suppe, in dem anderen Wasser. Dann zog sie sich gleich wieder zurück. Am ersten Tag hatte sich Macro von dem widerlichen Geruch des knorpeligen Fleischs, des ranzigen Fetts und der Gerste der Magen umgedreht. Aber der Hunger machte vieles erträglich, und schon bald fiel er gierig über das Wenige her, das man ihm zu essen gab. Auch das Wasser wurde immer kostbarer, denn die Hitze bei Tag war eine Qual, die einen trockenen Hals, eine pelzige Zunge und aufgeplatzte Lippen zur Folge hatte.
Ihre Gefangenschaft war umso quälender, als es keinerlei Vorkehrungen für ihre Notdurft gab, so dass sie in ihrem eigenen Dreck hocken mussten. Für Macro war es schon schlimm gewesen, sich vor Julia nackt ausziehen und unter solchen Bedingungen vegetieren zu müssen, doch Julia hatte noch nie eine vergleichbare Demütigung erlebt und sich so unerträgliche Zustände nicht einmal vorstellen können. Macro bemühte sich, ihr in jeder Beziehung zu helfen, schaute weg, wenn sie ihre Notdurft verrichtete, und hielt den Blick von ihr abgewendet, außer wenn er ihr in die Augen sah. Zum Glück hatte ihr das Weib, das ihnen das Essen brachte, einen zerrissenen Umhang gegeben. Die Alte hatte ihn ihr zugeworfen, und Julia hatte sich sogleich damit umhüllt. Ungeachtet dieser kleinen Erleichterung verfiel sie aufgrund ihres elenden Zustands immer länger in Schweigen. Macro beobachtete ihr Leiden mit wachsender Sorge. Julia war jung und wunderschön und verliebt in Cato. Ein solches Schicksal hatte sie nicht verdient.
Bei dem Gedanken an seinen Freund wurde Macro das Herz noch schwerer. Das Mädchen war Cato das Teuerste auf der Welt. Wenn er sie verlöre, würde dem Jungen das Herz brechen. Macro war sich bewusst, dass auch sein eigener Tod ein schwerer Verlust für Cato wäre. Sie standen einander so nahe wie Brüder, wenngleich Macro bisweilen eher Vatergefühle hegte. Er fürchtete, Cato könnte etwas Unbesonnenes unternehmen, wenn er erfuhr, dass man sie gefangen genommen
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