Cato 09 - Gladiator
ausweichen musste, die ihm nicht rechtzeitig Platz machten, stellte sich ein beklommenes Gefühl in der Magengrube ein. Er hatte den Gegner unterschätzt. Er war davon ausgegangen, dass seine Drohung, die für das Überleben Roms unersetzlichen Getreideschiffe zu zerstören, ausreichen würde, um einen Angriff auf sein Feldlager zu verhindern. Die Schiffe waren sorgfältig präpariert worden, im Frachtraum war mit Öl und Teer getränktes brennbares Material deponiert, das beim Auftauchen der römischen Kriegsschiffe in Brand gesetzt werden sollte. Aber wo blieben die Feuer? Ajax zügelte sein Pferd auf einer kleinen Anhöhe und versuchte zu erkennen, was auf der anderen Seite der Bucht vor sich ging. Ein am Strand brennendes Kohlebecken beleuchtete eines der gestrandeten Schiffe. Am Bug waren mehrere Gestalten zu erkennen, die durchs flache Wasser rannten, an Bord zu klettern versuchten und mit den Verteidigern kämpften. Auf einmal begriff er, was da vor sich ging. Die Römer hatten das Schiff geentert. Sie hatten alle Schiffe erobert … Doch dann loderte auf einmal ein Stück weiter eine Flamme auf und erhellte das Deck und den Mast eines der Schiffe. Das Feuer breitete sich aus, immer höher schlugen die Flammen und wanderten flackernd an der Takelage empor. In der Bucht geriet ein weiteres Schiff in Brand. Also waren doch nicht alle Getreidefrachter geentert worden. Vielleicht war es ja doch noch möglich, den Angriff abzuwehren und die Schiffe zurückzuerobern oder sie zumindest abzufackeln, damit sie nicht dem verhassten Feind in die Hände fielen.
Mehrere seiner Leibwächter schlossen zu ihm auf. Ajax hob den Arm und brüllte: »Mir nach!«
Sie galoppierten durchs Lager, während er seine Gefolgsleute unermüdlich zu den Waffen rief und ihnen befahl, zum Strand zu eilen. Gleichzeitig überschlugen sich seine Gedanken. Wie hatten die Römer das angestellt? Wie war es ihnen gelungen, die Getreideschiffe unbemerkt zu entern? Schließlich hatte er alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Wachposten hatten an Land und auf See Ausschau nach dem Gegner gehalten. So viele Römer konnten sie unmöglich übersehen haben. Oder irrte er sich da? Sie mussten mit Booten gekommen sein, doch die wären den Wachposten mit Sicherheit aufgefallen, auch wenn kein Mond schien. Also waren sie im Schutze der Dunkelheit durch die ganze Bucht geschwommen. So musste es gewesen sein, dachte er verärgert und empfand unwillkürlich Bewunderung für seinen Gegner. Dann hatten sie den Strand erreicht.
Am Rand des Lagers hatte sich eine große Gruppe Kämpfer versammelt. Ajax zügelte sein Pferd und wandte sich zu den anderen Reitern um. »Kharim! Bist du da?«
»Ja, General!« Kharim drängte sich zu ihm durch. Bis auf den Lendenschurz und den Schwertgürtel war er nackt.
»Bleib hier. Formiere die Männer. Ihr haltet diesen Teil des Lagers. Wenn ich dich rufen lasse, kommst du sofort, hast du verstanden?«
Kharim neigte den Kopf. »Zu Befehl, General.«
Ajax ritt durch das Tor am Ende des Palisadenzauns. Es lag am Rand des Hauptlagers und stand offen. Dahinter herrschte ein heilloses Durcheinander. Nur ein Schiff am Strand war in Brand gesetzt worden. Flammen tosten, Holzbalken knackten, Funken stoben in den Nachthimmel. Der grelle Flammenschein beleuchtete den Strand und ein Stück weit das Wasser. Der Kampfeslärm kam vom anderen Ende des Strandes. Seine Männer drängten sich um den Bug der gestrandeten Schiffe und versuchten, an Bord zu klettern und die Römer anzugreifen, die bis zur Hüfte nackt waren und sie mit Schwertern, Speeren und selbst Rudern verzweifelt abwehrten.
Die Römer auf den Schiffen stellten keine große Gefahr dar, wurde Ajax bewusst. Gefährlich war die Streitmacht, die seine Flanke aufrollte. Wenn es gelang, sie zurückzudrängen, würde man die Schiffe später zurückerobern können. Er zog das Schwert und ritt weiter, rief den Aufständischen am Strand zu: »Mir nach! Mir nach!«
Während er sich der am anderen Ende der Bucht tobenden Schlacht näherte, sammelte er immer mehr Kämpfer um sich. Es stand nicht gut. Die Römer hatten die Schanze bereits überrannt und rückten am Strand vor, warfen die nur leicht bewaffneten Gegner mit ihren rechteckigen Schilden um und gaben ihnen mit den Kurzschwertern den Rest. Ajax wusste, dass die meisten seiner Männer es nicht mit den Legionären aufnehmen konnten, aber wenn es ihm gelang, genügend Kämpfer zusammenzuziehen, um den Angriff einzudämmen,
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