Cato 10 - Die Legion
bald wie möglich.«
»Ich werde tun, was ich kann. Die Riten für das Herbeirufen von Glück und das Abwehren von Unglück haben nicht zu meinem Aufgabenbereich gehört, Herr. Mir oblagen die einfacheren Opferungen. Aber ich werde mich darum kümmern, sobald wir in Diospolis Magna eingetroffen sind. Ich kann die dortigen Priester konsultieren.«
Cato sah ihn an und nickte dann. »Nun gut, das muss genügen.« Er holte tief Atem und stand auf. »Aber jetzt müssen wir dafür sorgen, dass die Prähme bald ablegen. Je eher wir unseren Bestimmungsort erreichen, desto besser.«
Der Schiffskonvoi setzte seinen Weg stromaufwärts fort, verließ das Delta und fuhr in die breite Wasserstraße des Nil ein. Dieser zog sich mitten durch die große Wüste, die sich vom Mare Erythraeum im Westen quer über den Kontinent erstreckte und die Südgrenze des Imperiums bildete. Vom Strom aus sah Cato die Felshänge, die sich jenseits der schmalen Äcker erhoben, die sich an beiden Nilufern entlangzogen. Zwischen Schilfflächen und Palmen sah er viele Felder, die von Bauern bestellt wurden. Mit schweren Ochsenpflügen bearbeiteten sie den fruchtbaren, schwarzen Boden, der die Grundlage des großen Wohlstands der Provinz bildete. Bevor Rom sich die fruchtbaren Äcker Ägyptens angeeignet hatte, hatte dieser Wohlstand die Ptolemäer groß gemacht, und davor hatte hier das uralte Geschlecht der Pharaonen geherrscht, das bis in Zeiten zurückreichte, die sich der Erinnerung entzogen.
Heute waren die Pharaonen zwar vergessen, aber sie hatten in einem Zeitalter der Wunder gelebt, überlegte Cato, als die Prähme an den drei großen Pyramiden vorbeifuhren, die sich, von einer Sphinx bewacht, ein Stück flussabwärts von Memphis erhoben. Auf dem Rückweg zu Petronius hatte er sie vor einigen Tagen schon einmal gesehen. Dennoch betrachtete Cato sie mit Ehrfurcht. Er stand auf dem Vordeck und beschirmte seine Augen mit der Hand. Die Pyramiden waren hoch wie Berge, wiesen aber eine geometrische Perfektion auf, die die Natur niemals erreichen konnte. Die Wände wirkten zum größten Teil so glatt wie Glas, und stellenweise waren sie von etwas überzogen, das wie Blattgold aussah. Es warf das Sonnenlicht blendend hell zurück. Zu ihrer Hochzeit musste der Anblick der Pyramiden wohl fast unerträglich strahlend gewesen sein.
»Ziemlich eindrucksvoll.« Macro trat neben Cato. Er schaute noch eine Weile hin und schüttelte dann den Kopf. »Kaum zu glauben, dass die Gypos sie gebaut haben, oder?«
»Eine ziemlich ungerechte Bemerkung.« Cato zeigte auf ein Dorf, das am Ufer lag. »Die Menschen hier leben im Schatten ihrer Vorfahren. Und doch sind sie anders als sie.« Er hielt einen Augenblick inne und dachte nach. »Vielleicht wird Rom eines Tages auch nur noch eine Sehenswürdigkeit sein, und dann wird man dasselbe über unsere Vorfahren sagen. Wenn unsere großen Bauwerke und Denkmäler einmal zerbröckeln.«
»Ach was! Manchmal redest du einen Riesenunsinn, Cato.« Macro stieß ihn an. »Das weißt du genau.« Er räusperte sich und machte dann den leisen, ehrfurchtsvollen Tonfall seines Freundes nach. »Rom ist der Liebling der Götter und ist für die Welt ein Leuchtturm all dessen, was groß und bedeutend ist. In der fernen Zukunft werden die Menschen vor den Toren Roms stehen, voll Staunen auf unser großartiges Werk blicken und verzweifeln … «
»Bist du allmählich fertig?«, fragte Cato kurz angebunden.
»Moment noch, bestimmt fällt mir noch etwas Hochtrabendes ein, was ich hätte sagen können«, meinte Macro blasiert.
»Lass den Scheiß.«
»Also, das klingt doch wieder wie ein richtiger Soldat. Kurz und sachlich. Jetzt vergiss diese staubigen Steinhaufen mal und komm in den Schatten, bevor du noch wirrer im Kopf wirst als ohnehin schon, ja?«
Macro zog sich unter das Sonnendach zurück und setzte sich. Cato betrachtete die Pyramiden noch eine Weile, aber Macros Worte hatten ihnen einen Teil ihres Zaubers geraubt, und mit einem Seufzer drehte er sich um und gesellte sich zu Macro und Hamedes in den Schatten.
Zehn Tage nach dem Aufbruch der Prahme von Alexandria segelten sie um die letzte Flussbiegung vor Diospolis Magna. Gerade war die Sonne hinter den ausgedörrten Bergen des westlichen Ufers untergegangen. Auf dem gegenüberliegenden Ufer ragten die Pylonen des größten Tempelkomplexes auf, den Cato je gesehen hatte. Aus Halterungen in den verzierten Mauern erhoben sich hohe Fahnenstangen, und verblasste, zerrissene rote
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