Cato 11 - Die Garde
schließlich erlosch.
»Tja « , brummte er und erhob sich, »du bist schon ein munterer Gesell, was ?«
Auf dem Weg zum Zelt machte er dahinter eine Gestalt aus. Als er an einem der Kohlebecken vorbeikam, an denen sich die Wachposten wärmten, erkannte Cato Tigellinus. Er grüßte einen der Wachposten. Dann gibt es also noch jemanden, dem die Sorge den Schlaf raubt, dachte Cato. Er sah dem Centurio, der sich in Richtung der Gefangenenpferche in die nächtliche Dunkelheit entfernte, noch eine Weile nach, dann betrat er geduckt das Zelt seiner Abteilung, tastete sich zu seinem Schlafplatz und legte sich zum Schlafen nieder.
Kapitel 23
D en ganzen Vormittag über strömten die Einwohner Roms von der Via Appia zum See. Die meisten Familien kamen zu Fuß. Sie wirkten zerlumpt und ausgehungert, die Mütter trugen ihre Säuglinge in schmutzigen Tüchern bei sich. Unter ihnen waren auch Straßenhändler, die Bündel mit Waren schleppten oder mit Kissen, Fächern und Weinschläuchen beladene Karren schoben. Die üblichen Verkäufer von kleinen Speisen und runden Brotlaiben fehlten auffälligerweise. Nur einige wenige Karren wurden von Maultieren oder Ponys gezogen, und diese wirkten ebenso verhungert wie die Menschen. Unter dem Fell zeichneten sich die Rippen ab wie Eisenstäbe unter einem Seidentuch. Die meisten Zugtiere Roms hatte man geschlachtet und verspeist; sogar aus den Knochen und dem Fell hatte man Brühe gekocht. Und unter die Verhungernden mischten sich auch die Wohlhabenderen, die noch immer gut genährt waren und angeregt miteinander plauderten, während ihnen ihre Sklaveneskorten mit dicken Stöcken und Holzstäben den Weg freimachten.
Am Seeufer wurden die Menschenmassen zwischen den aufgereihten Tischen hindurchgeleitet, wo man ihnen ihre Ration von den Vorräten aus den Lagerräumen des Kaiserpalasts überreichte. Zwischen den schlichten Brotlaiben und dem geräucherten Fleisch waren auch Luxusgüter, von denen die gewöhnlichen Leute noch nie gehört, geschweige denn, dass sie sie schon einmal zu Gesicht bekommen hatten. Honigküchlein, Pastete aus Lerchenzunge, geräuchertes Wildbret, Töpfe mit feinstem Garum und eingelegten Früchten aus fernen Provinzen, die man mit hohem Aufwand nach Rom gebracht hatte. Einige der vom Kaiser so großzügig Beschenkten beschnupperten die edlen Speisen argwöhnisch, bevor sie vorsichtig davon probierten. Die meisten versuchten, sie gegen etwas einzutauschen, das sie kannten.
Mit ihren Rationen gingen die Menschen weiter am Seeufer entlang und suchten sich einen Platz, von dem aus sie das bevorstehende Schauspiel würden beobachten können. Der Uferstreifen war schon bald besetzt, danach wichen die Neuankömmlinge auf die Talhänge aus. Cato und Macro, die nicht weit vom kaiserlichen Pavillon entfernt saßen, hatten den Eindruck, das gegenüberliegende Ufer sei eine wimmelnde Landschaft bunt gekleideter Menschen.
»Bei den Göttern « , sagte Macro staunend, »so viele Leute habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen. Ganz Rom muss hier versammelt sein .«
Cato zuckte mit den Schultern. Es war schwer, die Zahl der Menschen am anderen Ufer zu schätzen. Er wusste, dass im Circus Maximus über zweihunderttausend Zuschauer Platz fanden, und wenn es stimmte, dass die Bevölkerung Roms fast eine Million zählte, so waren sicherlich die meisten heute hier. Die Kapitale hatte sich wohl in eine Geisterstadt verwandelt, deren Stille allein von den Stimmen derer gestört wurde, die zu schwach waren, um sich zum See zu begeben, oder zu unehrlich, um sich die Gelegenheit, in menschenleere Häuser und Läden einzubrechen, entgehen zu lassen. Nur die Reichen konnten es sich leisten, ihren Besitz von bewaffneten Sklaven bewachen zu lassen. Cato blickte zu den dezimierten Nahrungsvorräten hinüber, die hinter dem kaiserlichen Pavillon gelagert waren. Er schätzte, dass sie am zweiten Tag des Spektakels bereits erschöpft sein würden. Dann standen nur noch die Getreideschiffe aus Sizilien zwischen Kaiser Claudius und dem tobenden Mob.
Wenn Claudius gestürzt wurde, würden die Liberatoren die gewaltigen Getreidevorräte präsentieren, die sie irgendwo in Rom oder im näheren Umkreis versteckt hatten. Nachdem sie das Volk erst ausgehungert und auf diese Weise zur Gewalttätigkeit aufgestachelt hatten, würden sie dann die öffentlichen Wohltäter spielen. Bei dem Gedanken gefror Cato das Blut in den Adern. Doch er beherrschte seinen Zorn und konzentrierte sich. Wo hätte er
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