Cato 11 - Die Garde
Kapitän schaute nach vorn. Als er sah, dass ein ganzes Stück weit keine Anlegestelle frei war, deutete er auf ein Boot in der Nähe.
»Da !« , rief er und zeigte auf die Stelle, wohin die Männer das Schleppseil befördern sollten. Der Vorarbeiter nickte, und bald darauf war der Kahn längsseits des Bootes vertäut.
»Viel Glück auf dem neuen Posten !« Der Kapitän schob ihnen strahlend seinen Sohn entgegen. »Das ist mein Junge. Komm, sag den Helden des Britannienfeldzugs guten Tag .«
Der Junge musterte sie scheu und nuschelte eine Begrüßung, die vom Geschrei der Stauer übertönt wurde. Cato blickte lächelnd auf ihn nieder und drückte dem Jungen die Schulter.
»Dein Vater hat gemeint, du wolltest zur Legion gehen. Bist du schon stark genug dafür ?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Noch nicht .«
»Eines Tages wirst du groß und kräftig sein. Du hättest mich mal sehen sollen, als ich in deinem Alter war. Nichts als Haut und Knochen, und es ist trotzdem was aus mir geworden .«
Macro musterte ihn mit gespielter Verwunderung, doch Cato beachtete ihn nicht und fuhr fort: »Arbeite hart, dann wirst du eines Tages ein Held sein und deinen Vater stolz machen .«
»Oder « , sagte Macro leise, »du endest als Handlanger eines ränkeschmiedenden kaiserlichen Freigelassenen … «
Das Lächeln des Kapitäns wirkte ein wenig angestrengt. »Ich bin jetzt schon stolz auf ihn .«
»Selbstverständlich « , erwiderte Cato rasch. »Komm jetzt, Macro, wir müssen aufbrechen .«
Cato schwang den Kleidersack auf die Gabel am Ende der Tragestangen, balancierte vorsichtig über die Planke zum Nachbarboot und trat von dort auf den Kai, froh darüber, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, auch wenn er im Dreck versank. Macro schloss zu ihm auf, und dann schauten sie sich erst einmal um.
»Wo sollten wir gleich noch den Kontaktmann von Narcissus treffen ?« , fragte Macro.
»In einem Lokal mit Namen Weinberg des Dionysus, an der Nordseite des Boariums. Narcissus’ Beschreibung nach sollte es dort langgehen .«
Cato deutete auf die Wohngebäude hinter den Lagerhäusern. Sie setzten sich in Bewegung und gingen am Kai entlang. Nach dem vergleichsweise ruhigen Ostia erschien ihnen die Hauptstadt des Reichs wie ein heilloses Durcheinander aus Lärm und Gestank. Der Schweißgeruch der Menschen mischte sich mit dem beißenden Holzrauch. Gruppen von Sklaven, die teilweise aneinandergekettet waren, ächzten unter der Last von Stoffballen, Krügen mit Wein und Öl und strohgepolsterten Kisten mit kleinen versiegelten Töpfen, die Duftstoffe und Räucherwerk aus dem Osten enthielten. Andere Sklaven schleppten Stoßzähne oder Edelholzbalken. Um sie herum wimmelten die Kapitäne der Schleppkähne, Kaufleute und Kleinhändler, und es herrschte ein wahres Sprachengewirr aus Lateinisch, Griechisch, keltischen Dialekten, Hebräisch und anderen Sprachen, die Cato noch nie gehört hatte. Die Dunkelheit des Winterabends senkte sich herab. Inmitten der Dunkelheit flackerten die Flammen von Kohlebecken und übergossen das mit Unrat bedeckte Pflaster mit geisterhaftem rötlichem Licht. Ein paar Hunde und Katzen flitzten durchs Gewühl und suchten nach Nahrung. In den Eingängen und vor verschlossenen Läden hockten Bettler, klapperten mit ihren Holz- und Messingschalen und flehten um ein paar Münzen.
Cato bahnte sich einen Weg durch die Menge, und Macro folgte ihm dicht auf den Fersen, die Tragestangen in festem Griff. Hin und wieder vergewisserte er sich mit einem Blick über die Schulter, ob sein Kleidersack vor Langfingern noch sicher war. Er hatte gehört, dass sich manche Diebe darauf verlegt hatten, die Ziegenfellsäcke mit einem scharfen Messer aufzuschlitzen und den Inhalt zu entwenden, ohne dass deren Besitzer etwas davon merkte.
»Beim Hades, das ist, als wäre man im Schlachtgewühl eingezwängt .«
»Aber hier ist es weniger gefährlich « , entgegnete Cato kurz angebunden, dann setzte er hinzu: »Und es fehlen das Blut, die Toten, die Schreie und die eiskalte Hand des Todes, die sich dir um den Hals legt. Ansonsten trifft der Vergleich zu .«
»Sehr komisch .«
Als sie sich dem überwölbten Eingang des Boarium-Marktes näherten, ließ das Gedränge ein wenig nach. Wie beim Bau der Lagerhäuser war auch hier eher geklotzt als gekleckert worden. Über dem Säuleneingang ragte ein Ziergiebel mit Politikerstandbildern aus der republikanischen Ära auf, deren ursprüngliche Farbe unter einer
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