Cato 11 - Die Garde
Das war Eurayleus, einer der Palastlehrer. Eurayleus war mit der Erziehung der Kinder der Kaiserfamilie betraut gewesen. Deshalb hatte er nur wenig mit den anderen Lehrern zu tun gehabt, welche die Söhne der Palastbeamten und die Kinder der Geiseln unterrichteten, für die Rom gut sorgte, während ihre Eltern gezwungen waren, Verträge einzuhalten oder im Interesse Roms Druck anzuwenden. Cato erinnerte sich noch gut an die Herablassung, mit der der Lehrer die übrigen Palastbediensteten behandelt hatte. Ihre Wege hatten sich nur ein einziges Mal gekreuzt, als er vor der Tür des Lehrers herumgetobt und dafür Prügel eingesteckt hatte.
»Über Dichtung sprechen wir ein andermal « , sagte Eurayleus entschieden. »Das Thema der heutigen Unterweisung wurde vom Kaiser bestimmt, und weder ihr noch ich können an seiner Entscheidung etwas ändern .«
»Warum nicht ?« , fragte Nero.
»Diese Frage kannst du stellen, wenn du selbst Kaiser bist « , erwiderte der Lehrer knapp und bündig.
»Falls er Kaiser wird « , warf Britannicus ein. »Ahenobarbus ist nur ein Adoptivsohn. Ich bin der leibliche Sohn. Ich stehe in der Nachfolge vorn .«
Nero wandte sich stirnrunzelnd seinem Stiefbruder zu. »Ich heiße Nero .«
Britannicus zuckte mit den Schultern. »So sagen manche. Aber in deinem Herzen wirst du immer deinen ersten Namen behalten. Und auch für mich wirst du immer Ahenobarbus bleiben .«
Nero funkelte ihn an, dann sagte er: »Du bist immer rasch bei der Hand, wenn es darum geht, mich zurechtzustutzen. Du magst zwar der leibliche Sohn des Kaisers sein, dafür ist deine Mutter in Ungnade gefallen. Deshalb würde ich mich an deiner Stelle nicht darauf verlassen, dass du das Vertrauen des Kaisers genießt, kleiner Britannicus .«
»Meine Mutter ist tot. Sie ist gestorben, weil sie dumm war. Die Macht ist ihr zu Kopf gestiegen .« Britannicus lächelte schwach. »Was glaubst du, wie lange wird es dauern, bis es deiner Mutter ebenso ergeht? Was wird dann aus dir? Ich bin mit meinem Vater wenigstens leiblich verwandt. Und was bleibt dir ?«
Cato blickte unwillkürlich den Knaben an, erstaunt über dessen Selbstvertrauen und Einsicht.
»Kinder! Kinder !« , rief der Lehrer und schwenkte die Hand. »Es reicht. Hört auf, euch zu streiten. Das ist der Erben des Kaisers unwürdig. Was würde er wohl sagen, wenn er euch hören könnte ?«
»S-s-s-luss d-d-damit !« , lispelte Nero und ließ ein wenig Speichel von seinen Lippen tropfen. Dann kicherte er.
Der Lehrer musterte ihn tadelnd und hob die Hand. »Das ist nicht nett. Heute keine Abschweifungen mehr, verstanden ?«
Nero nickte und verkniff sich ein Lächeln.
»Na schön. Heute geht es um Verantwortung. Insbesondere um die Verantwortung des Kaisers für sein Volk. Ich könnte euch jetzt einen Vortrag zu dem Thema halten, doch als Grieche ziehe ich einen längeren Dialog vor .«
Macro atmete seufzend aus.
»Beginnen wir mit dir, Nero, denn du machst heute einen besonders aufmerksamen Eindruck. Worin besteht die Hauptverantwortung des Kaisers, was meinst du ?«
Nero faltete die Hände und überlegte einen Moment. »Seine oberste Pflicht besteht darin, die Sicherheit Roms zu wahren. Rom muss gegen seine Feinde verteidigt und seine Interessen müssen geschützt werden. Außerdem muss der Kaiser für sein Volk sorgen. Er muss es ernähren, aber nicht nur mit Nahrung. Er muss ihm seine Liebe schenken, so wie ein Vater, der seine Kinder liebt .«
Britannicus schnaubte abfällig, doch Nero fuhr fort, ohne ihn zu beachten.
»Er muss sein Volk wichtige Werte lehren: die Liebe zu Rom, die Liebe zur Kunst, und die Liebe zur Poesie .«
»Warum das ?«
»Weil wir ohne all das wie Tiere sind, die vor sich hinvegetieren und sterben, ohne dass man sie vermisst .«
Britannicus schüttelte den Kopf, was dem Lehrer nicht entging.
»Möchtest du etwas sagen ?«
»Allerdings .« Britannicus hob herausfordernd den Kopf. »Ahenobarbus ist zu stark von seinem Privatlehrer Seneca beeinflusst. Was bedeutet die Dichtkunst schon dem einfachen Volk? Nichts. Die Menschen brauchen Nahrung, Unterkunft und Unterhaltung. Das erwarten sie von ihrem Kaiser. Er kann versuchen, ihnen ihre Wünsche zu erfüllen, aber immer nur zu einem Teil. Worin also besteht seine Aufgabe? Ganz einfach. Er hat die Pflicht, die Ordnung zu gewährleisten und dem Chaos vorzubeugen. Er muss Rom vor den Barbaren im Innern und vor denen schützen, die außerhalb seiner Grenzen leben .«
»Das ist ein sehr
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