Cato 11 - Die Garde
abschlossen. Dessen eingedenk, wandten sich Catos Gedanken Julia zu.
Er hatte sich bemüht, nicht an sie zu denken, doch das war leichter gesagt als getan. Auch einen hartnäckigen Schmerz konnte man nicht so einfach ignorieren. Er brauchte seinen Gedanken nur freien Lauf zu lassen, schon wandten sie sich Julia und ihren ungewissen Zukunftsaussichten zu. Seit über einem Jahr hatten sie einander nicht mehr gesehen. Während Cato in Ägypten den flüchtigen Gladiator Ajax jagte und gegen die Nubier kämpfte, hatte Julia in Rom gelebt und sich der Gesellschaft der Reichen und Mächtigen erfreut. Sie war jung und schön, und die Männer würden sie umschwärmen.
Bei dem Gedanken an ihre Schönheit und Hingabe während des monatelangen gemeinsamen Aufenthalts in Syrien und Kreta empfand er große Pein. Jetzt währte ihre Trennung schon länger als ihr Zusammensein, doch während seine Gefühle für sie unverändert waren und von der Hoffnung auf ein Wiedersehen genährt wurden, wusste er nicht, ob sie ähnlich empfand. Sein Instinkt sagte ja, doch Cato war ein skeptischer Mensch. Vielleicht war das auch reines Wunschdenken. Sein Verstand urteilte nüchtern, dass ihre Gefühle für ihn vermutlich abgekühlt waren. Was konnte ihr jetzt, da sie vom Luxus und Glanz der römischen Oberschicht umgeben war, noch die Erinnerung an einen jungen Soldaten bedeuten?
Cato hob die Hand ans Gesicht und streichelte mit den Fingerspitzen über seine Wange, so wie Julia es an dem Abend getan hatte, als sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten. Er schloss die Augen und vergegenwärtigte sich die Umgebung in allen Einzelheiten, die Geräusche und Düfte des kleinen Gartens im Schein des syrischen Mondes. Dann malte er Julia in die Szenerie hinein, weitaus kunstvoller, als die grobe Hand der Natur, welche die Wirklichkeit modellierte, es vermochte. Anschließend berührte er mit den Fingerspitzen die verhärtete Narbe, und er wurde von Abscheu und Furcht ergriffen. Cato schlug die Augen auf. Er atmete mehrmals tief durch, dann nahm er die Lampe und erhob sich. Er stellte die Lampe aufs Wandbord zurück und pustete die Flamme aus.
Auf der Straße angelangt, schaute er sich wachsam um, und als er nichts Verdächtiges bemerkte, ging er zurück zur Hauptstraße, die den Viminal hinunterführte. Als er sich dem Platz näherte, hielt Cato inne und überlegte kurz, vergegenwärtigte sich den Eingang des Lokals, in dem Macro auf ihn wartete. Es gab zwei Gassen, von denen aus man den Fluss des Weins gut im Blick hatte. Cato näherte sich dem Platz vom Ende der Gasse her, die dem Lokal am nächsten lag. Die Hand auf dem Dolchgriff, schlich er an der rauen Wand entlang und tastete vor jedem Schritt mit dem Fuß den Untergrund ab. Vor der Einmündung auf den Platz beschrieb die Gasse eine leichte Biegung, und als er sie erreichte, spähte Cato mit angehaltenem Atem um die Ecke. Zunächst bemerkte er nichts Auffälliges, doch nach einer Weile fiel ihm auf, dass sich hinter einem Stützpfeiler am Ende der Gasse ein schwacher Nebel hervorkräuselte. Der Nebel bildete sich in regelmäßigen Abständen, und das bedeutete, dass dort jemand atmete. Von seiner Position aus konnte Cato den Beobachter nicht sehen, deshalb wappnete er sich und ging langsam weiter, bis er das Profil des Mannes sah, der die gegenüberliegende Kneipe beobachtete. Cato hielt an und wartete. Schließlich veränderte der Mann die Haltung, und Cato konnte sein Gesicht erkennen. Er lächelte verkniffen, als er sah, wen er da vor sich hatte.
Langsam ging er zurück, bog um die Ecke. Er zog die Kapuze über seinen Kopf und ging weiter zur Kreuzung mit der nächsten größeren Straße. Dann ging er zum Platz und torkelte wie ein Betrunkener zum Eingang des Lokals, wobei er darauf achtete, nicht zu der Gasse hinüberzusehen, in der Sinius’ Spitzel Wache hielt. Er taumelte durch den Eingang und ging zu dem Tisch, an dem Macro und Porcinus saßen. Inzwischen hatte er sich aufgerichtet und die Kapuze zurückgeschlagen.
Macro lächelte erleichtert. »Du warst ganz schön lange weg. Hast du alles erledigt ?«
»Ja .« Cato löste die Schließe des stinkenden Umhangs und warf ihn Porcinus zu.
»Dann brauchst du mich nicht mehr, Herr ?« , sagte der Walker. »Kann ich gehen ?«
»Ja. Du solltest deine Kumpel besser einholen, bevor sie das Geld, das ich ihnen gab, verprasst haben .«
»Da hast du verdammt noch mal recht .« Porcinus tauschte Catos Umhang gegen seinen eigenen aus,
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