Catriona
war mir jetzt noch geblieben? Es schien mir wie ein Symbol, daß das Exemplar Heineccius, mein alter Schild, verbrannt war. Ich bereute, und doch brachte ich es nicht über mich, mir meines Versagens wegen Vorwürfe zu machen. Es schien mir ein schier unmögliches Verlangen, ihrer kühnen Unschuld oder der letzten großen Versuchung ihrer Tränen widerstanden zu haben. Aber alle meine Entschuldigungen ließen meinen Fehler nur noch größer erscheinen – fast dünkte es mich, ich hätte ein so wehrloses Wesen, alle Vorteile meiner Position ausnutzend, überlistet.
Was füllte jetzt aus uns werden? Wir konnten doch nicht länger in der gleichen Wohnung hausen? Wohin sollte ich aber gehen? Wohin sie? Ohne Zutun oder Schuld unsererseits hatte sich das Leben gegen uns verschworen und uns in jene engen vier Wände eingesperrt. Mir kam der wilde Gedanke, mich auf der Stelle mit ihr zu verheiraten; im nächsten Augenblick wies ich ihn empört zurück. Sie war ja nur ein Kind, sie kannte nicht einmal ihr eigenes Herz; ich hatte ihre Schwäche überrumpelt; niemals durfte ich diesen Überfall ausnutzen; ich mußte nicht nur dafür sorgen, daß sie kein Makel traf, nein, auch daß sie so frei von mir ging, wie sie gekommen war.
Ich setzte mich vor das Feuer und grübelte nach und bereute und zerbrach mir vergeblich den Kopf auf der Suche nach einem Ausweg. Etwa um drei Uhr morgens waren noch drei rotglühende Kohlen übriggeblieben, Haus und Stadt lagen im Schlaf, da hörte ich vom Nebenzimmer her ein leises Weinen. Sie dachte, auch ich schliefe, das arme Kind; sie bereute ihre Schwäche, ihre Fürwitzigkeit (Gott helfe ihr!), wie sie es vielleicht nannte, und suchte sich in der Totenstille der Nacht durch Tränen Erleichterung zu verschaffen. Zärtliche und bittere Gefühle, Liebe, Reue und Mitleid kämpften in meiner Seele einen Kampf; ich schien verpflichtet, jene Tränen zu trösten.
»O, versuche doch, mir zu verzeihen!« rief ich laut, »versuche, versuche, mir zu verzeihen! Wir wollen alles vergessen, wir wollen versuchen, ob wir es nicht vergessen können!« Es kam keine Antwort, aber das Schluchzen hörte auf. Lange Zeit stand ich, immer noch mit verschlungenen Händen, wie im Augenblick, da ich sie gebeten hatte; dann packte mich schaudernd die Kälte der Nacht, und ich glaube, meine Vernunft gelangte wieder zur Herrschaft. »Du wirst aus dieser Sache doch nicht klug, Davie«, dachte ich. »Geh zu Bett wie ein verständiger Junge, und versuche zu schlafen. Morgen wirst du vielleicht wissen, was du zu tun hast.«
Die Rückkehr James Mores
Am Morgen wurde ich zu später Stunde durch Klopfen an meiner Tür aus unruhigem Schlummer geweckt; ich lief, um zu öffnen und wäre im Widerstreit meist schmerzlicher Empfindungen fast umgesunken: dort auf der Schwelle in einem groben Überrock und ungewöhnlich großem, betreßten Hut stand James More. Ich hätte mich vielleicht rückhaltlos freuen sollen, denn der Mann kam in gewissem Sinne wie eine Antwort auf ein Gebet. Ich hatte mir vorgeredet, bis mir der Kopf schwindelte, daß Catriona und ich uns trennen müßten, hatte mich, bis ich Kopfschmerzen bekam, nach einer Möglichkeit hierzu umgeschaut. Jetzt war das Mittel auf zwei Beinen zu mir heranspaziert, und Freude nahm den hintersten Platz in meinen Gedanken ein. Zu bedenken ist jedoch, daß, obwohl die Last der Zukunft durch dieses Mannes Ankunft von meinen Schultern genommen wurde, die Gegenwart nur um so schwärzer und drohender vor mir aufragte; ich glaube daher, daß ich, als ich mich im ersten Augenblick in Hemd und Hosen ihm gegenüber sah, wie angeschossen zurückfuhr.
»Ah,« sagte er, »ich habe Euch gefunden, Mr. Balfour.« Und er bot mir seine große, schöne Hand, die ich (gleichzeitig, wie zur Abwehr, meinen Posten an der Tür von neuem beziehend) etwas im Zweifel ergriff. »Höchst eigentümlich, wie unsere Geschäfte sich verstricken«, fuhr er fort. »Ich schulde Euch wegen dieses bedauerlichen Eingreifens in die Euren, zu dem ich mich durch mein Vertrauen in jenes Doppelgesicht, Prestongrange, verleiten ließ, eine Entschuldigung; ich schäme mich, einzugestehen, daß ich einmal einem Juristen traute.« Er zuckte auf sehr französische Art die Achsel. »Aber wahrhaftig, der Mann machte einen so guten Eindruck. Und jetzt scheint es gar, als hättet Ihr Euch in nobelster Weise meiner Tochter angenommen, deren Adresse zu erfragen man mich an Euch wies.«
»Ich glaube, Sir,« entgegnete ich
Weitere Kostenlose Bücher