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Catriona

Catriona

Titel: Catriona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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jetzt in den Gasthof begebe, um noch ein zweites Gedeck für Euch zu bestellen und das Mahl um eine Stunde hinauszuzögern. In der Zwischenzeit könnt Ihr ja Eure Tochter sprechen.« Ich glaube, bei diesen Worten zuckten seine Nasenflügel. »Oh, eine ganze Stunde?« meinte er. »Das ist vielleicht doch überflüssig. Eine halbe Stunde, Mr. David, oder sagen wir, zwanzig Minuten. Das genügt mir vollkommen. Da fällt mir ein,« fügte er hinzu, mich am Rockzipfel festhaltend, »was trinkt Ihr eigentlich morgens? Bier oder Wein?«
    »Offen gesagt, Sir, nichts als pures, kaltes Wasser.«
    »Puh, puh« machte er, »das ist ja für den Magen schier ruinös, nehmt eines alten Veteranen Wort. Unser heimatlicher Branntwein ist vielleicht das Allergesündeste; da der aber nicht erhältlich ist, werden Rheinwein oder Burgunder wohl das Nächstbeste sein.« »Ich werde dafür sorgen, daß Euch nichts mangelt«, entgegnete ich. »Sehr gut,« sagte er, »wir werden noch einen Mann aus Euch machen, Mr. David.« Jetzt war ich so weit, daß ich kaum noch auf ihn achtete, höchstens schoß es mir durch den Kopf, was für eine Art Schwiegervater er wohl abgeben würde. All meine Sorge konzentrierte sich auf das Mädchen, seine Tochter, die ich vor dem Zusammentreffen mit ihrem Besuche irgendwie zu warnen beschloß. Ich trat daher an ihre Tür, klopfte und rief gleichzeitig durch die Füllung: »Miß Drummond, Euer Vater ist endlich angekommen.« Dann machte ich mich an die Erledigung meines Auftrags, nachdem ich zuvor (durch zwei kleine Worte) meiner Sache schwer geschadet hatte.
     

Zu Dritt
     
    Ob ich nun wirklich so sehr zu tadeln war und nicht vielmehr Mitleid verdiente, das zu beurteilen, überlasse ich anderen. Mein gesunder Menschenverstand (von dem ich eine gute Portion mitbekommen habe) scheint den Damen gegenüber so ziemlich zu versagen. Kein Zweifel, als ich Catriona weckte, dachte ich in der Hauptsache an die Wirkung auf James More; aus dem nämlichen Grunde benahm ich mich bei meiner Rückkehr, als wir uns alle zum Frühstück niedersetzten, der jungen Dame gegenüber mit ehrerbietiger Zurückhaltung, was, auch heute noch, in meinen Augen das Klügste war. Ihr Vater hatte die Unschuld meiner Freundschaft angezweifelt; diese Zweifel zum Schweigen zu bringen, war meine vornehmste Pflicht. Aber auch zu Catrionas Entschuldigung läßt sich manches anführen. Die Szene zwischen uns war nicht ohne Leidenschaft und Zärtlichkeit gewesen; wir hatten allerlei Liebkosungen getauscht; ich hatte sie mit Gewalt aus dem Zimmer gedrängt, hatte in der Nacht vom Nachbarraume her zu ihr gesprochen; sie hatte stundenlang wach gelegen und geweint, und es ist kaum anzunehmen, daß ich ihren nächtlichen Gedanken ferngeblieben war. Nach allen diesen Dingen wurde sie jetzt mit ungewohnter Förmlichkeit unter der Anrede Miß Drummond geweckt und von da an mit kühler Ehrerbietung behandelt; kein Wunder, daß sie sich in bezug auf meine wahren Gefühle zu gänzlich falschen Schlüssen gedrängt sah und dem schier unfaßlichen Irrtum verfiel, ich bereue mein Verhalten und suche mich jetzt zurückzuziehen. Zwischen uns bestand folgender verhängnisvoller Gegensatz: ich dachte (seitdem mein Blick zum erstenmal auf seinen großen Hut gefallen war) einzig an James More, an seine Rückkehr und an seinen Argwohn, während sie diesen Dingen so völlig gleichgültig gegenüberstand, daß sie sie kaum bemerkte; ihr ganzes Sorgen und Handeln galten dem, was in der verflossenen Nacht zwischen uns vorgefallen war. Das läßt sich teils durch die Unschuld und Kühnheit ihres Charakters, teils durch die Tatsache erklären, daß James More, nachdem er in seiner Unterredung mit mir so schlecht abgeschnitten hatte und seinen Mund durch meine Einladung verschlossen wähnte, kein Wort ihr gegenüber über das Thema fallen ließ. So wurde es schon beim Frühstück klar, daß sie und ich gegeneinander spielten. Ich hatte erwartet, sie in ihren eigenen Kleidern zu finden; ich fand sie (als hätte sie ihren Vater ganz vergessen) in einer der schönsten Toiletten, die ich ihr gekauft hatte, von der sie wußte (oder glaubte), daß ich sie an ihr bewunderte. Ich glaubte und erwartete, sie würde meine Zurückhaltung nachahmen und ungemein kurz und förmlich sein; statt dessen saß sie da mit hochroten Wangen und wilden Blicken; ihre Augen brannten ungewöhnlich hell, der Ausdruck ihres Gesichtes war schmerzlich und unstet, und sie nannte mich in einer Art bittender

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