Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Catriona

Catriona

Titel: Catriona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
über die Maßen verlegen, »zwischen uns beiden ist eine Auseinandersetzung erforderlich.« »Es ist doch alles in Ordnung?« forschte er. »Mein Agent, Mr. Sprott –« »Um Gottes willen, dämpft Eure Stimme!« rief ich. »Sie darf Euch nicht hören, bis wir unsere Auseinandersetzung gehabt haben.«
    »Sie befindet sich hier?« rief er.
    »Das ist ihre Kammertür.«
    »Ihr seid hier mit ihr allein?« »Wen sonst sollte ich noch bei mir haben?« rief ich. Ich will ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen: er erbleichte. »Das ist sehr ungewöhnlich«, sagte er. »Die Umstände sind sehr ungewöhnlich. Ihr habt recht: eine Auseinandersetzung ist erforderlich.«
    Mit diesen Worten ging er an mir vorbei, und ich muß gestehen, der imponierende alte Schelm nahm sich im Augenblick sehr würdig aus. Er sah jetzt zum erstenmal mein Zimmer, das ich sozusagen mit seinen Augen musterte. Ein Strahl der Morgensonne fiel durch das Fenster und beleuchtete den Raum; mein Bett, meine Koffer, der Waschtisch, meine ziemlich unordentliche Garderobe, der leere Kamin bildeten die einzige Ausstattung; kein Zweifel, es sah kalt und kahl aus und schien als Unterkunft für eine Dame der unpassendste, erbärmlichste Platz von der Welt. Gleichzeitig fielen mir die Kleider ein, die ich ihr gekauft hatte, und mich dünkte, der Kontrast zwischen Armut und Verschwendung machte einen üblen Eindruck.
    Er sah sich rings im Zimmer nach einem Sitz um, und ließ sich, da er keinen anderen passenden fand, auf meinem Bettrand nieder, wo ich mich wohl oder übel zu ihm setzen mußte, nachdem ich zuvor die Tür geschlossen hatte. Wie immer diese merkwürdige Unterredung auch enden mochte, sie mußte, wenn möglich, stattfinden, ohne Catriona zu wecken, und dazu war erforderlich, daß wir dicht beieinander saßen und leise sprachen. Ich kann mir kaum vorstellen, welch ein Bild wir beide abgaben, er in seinem schweren Mantel, der gegen die Kälte außerordentlich am Platze schien, ich frierend in Hemd und Hosen; er fast mit der Miene eines Richters, ich (was immer auch mein Aussehen war) ganz mit den Gefühlen eines Mannes, der die Posaune des Jüngsten Gerichts erschallen hört.
    »Nun?« forschte er. »Nun«, hub ich an, entdeckte aber, daß ich nicht weiterreden konnte.
    »Ihr sagt mir, sie sei hier?« fragte er abermals, jetzt aber mit einem Anflug von Ungeduld, der mir Mut zu verleihen schien. »Sie befindet sich in diesem Hause«, sagte ich; »ich wußte, man würde die Umstände ungewöhnlich finden. Aber Ihr müßt bedenken, wie ungewöhnlich die ganze Angelegenheit von Anfang bis zu Ende war. Hier ist eine junge Dame, die mit zwei Schillingen und anderthalb Pence in der Tasche an der Küste Europas an Land gesetzt wird. Sie wird an Euren Beauftragten, Sprott, in Helvoet gewiesen. Ich höre, Ihr bezeichnet den Mann als Euren Agenten. Alles, was ich von ihm weiß, ist, daß er bereits bei der Nennung Eures Namens in Flüche und Schimpfworte ausbricht, und ich bin genötigt, ihn aus meiner eigenen Tasche zu bezahlen, um ihn zu bewegen, wenigstens Eurer Tochter Sachen in Aufbewahrung zu nehmen. Ihr sprecht von ungewöhnlichen Umständen, Mr. Drummond, falls das der Name ist, den Ihr Euch zu geben beliebt. Das war ein Umstand, dem Ihr sie niemals hättet aussetzen dürfen – ja, eine Barbarei.« »Aber ich begreife von alledem kein Wort«, sagte James. »Meine Tochter wurde der Obhut verantwortlicher Leute anvertraut – den Namen habe ich vergessen.« »Der Name lautet Gebbie,« sagte ich,» und ohne Zweifel hätte Mr. Gebbie mit ihr in Helvoet an Land gehen müssen. Das tat er aber nicht, Mr. Drummond, und ich meine, Ihr könnt Gott danken, daß ich dort war und an seiner Statt zu gehen mich erbot.«
    »Ich werde noch ein Wort mit Mr. Gebbie zu haben«, erwiderte er »Und was Euch selbst betrifft, so hättet Ihr, meine ich, bedenken müssen, daß Ihr für einen derartigen Posten ein wenig jung seid.«
    »Aber es handelte sich ja gar nicht um eine Wahl zwischen ihr und jemand anderem. Es blieb nur die Wahl zwischen mir und niemand. Niemand erbot sich, statt meiner zu gehen, und ich muß sagen, Ihr scheint mir für das, was ich getan habe, nur geringe Dankbarkeit zu zeigen.« »Ich werde warten, bis ich die Art meiner Verpflichtung etwas genauer kenne«, meinte er.
    »Nun, mich dünkt, sie starrt Euch förmlich ins Gesicht. Euer Kind war ganz verlassen, sie war mitten in Europa auf die Straße gesetzt, mit knapp zwei Schillingen und keine zwei Worte

Weitere Kostenlose Bücher