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Catriona

Catriona

Titel: Catriona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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sonoren Anschwellen seiner Stimme schnitt ihm Catriona das Wort ab.
    »Ich will Euch sagen, was James More meint. Er meint, wir sind als Bettler zu Euch gekommen und haben uns Euch gegenüber nicht gut benommen, und wir schämen uns unserer Undankbarkeit und unseres schlechten Verhaltens. Jetzt wollen wir weggehen und wollen, daß Ihr uns vergeßt; und mein Vater hat sein Hab und Gut so schlecht verwaltet, daß wir nicht einmal dies tun können, wenn Ihr uns nicht weitere Almosen gebt. Denn das und nichts anderes sind wir: Bettler und Schnorrer.«
    »Mit Eurer Erlaubnis, Miß Drummond,« sagte ich, »ich möchte Euren Vater allein sprechen.«
    Sie ging in ihr eigenes Zimmer und schloß ohne ein Wort oder einen Blick die Tür.
    »Ihr müßt sie entschuldigen, Mr. Balfour«, sagte James More. »Sie besitzt kein Zartgefühl.«
    »Ich bin nicht hier, um das mit Euch zu erörtern,« sagte ich, »sondern um Euch loszuwerden. Zu diesem Zwecke muß ich von Eurer Lage reden. Mr. Drummond, ich habe den Stand Eurer Geschäfte genauer im Auge behalten, als es in Eurer Absicht lag. Ich weiß, Ihr besaßet eigenes Geld, als Ihr von mir Geld borgtet. Ich weiß, Ihr habt seit Eurem Aufenthalt hier in Leyden noch mehr Geld in die Hand bekommen, obwohl Ihr es vor Eurer Tochter verheimlichtet.«
    »Ich warne Euch, nehmt Euch in acht! Ich lasse mir eine derartige Behandlung nicht mehr gefallen«, brach er los. »Ich habe Euch beide satt. Was ist das für ein verdammter Beruf, Vater zu sein! Man hat mir gegenüber Ausdrücke gebraucht –« er verstummte. »Sir, das hier ist das Herz eines Soldaten und eines Vaters,« fuhr er fort, die Hand auf den Busen legend, »man hat es in dieser doppelten Eigenschaft geschändet – ich warne Euch, seid auf der Hut.«
    »Hättet Ihr mich ausreden lassen,« erwiderte ich, »Ihr würdet bald gemerkt haben, daß es Euer Schaden nicht gewesen wäre.«
    »Mein teurer Freund,« rief er, »ich weiß, ich weiß, ich hätte mich auf Eure Großmut verlassen sollen.«
    »Mann, wollt Ihr mich endlich ausreden lassen? Tatsache ist, ich kann nicht dahinter kommen, ob Ihr reich oder arm seid. Aber ich habe so die Vermutung, daß Eure Mittel, da sie aus geheimer Quelle stammen, nicht gerade sehr reichlich sind, und ich will nicht, daß Eurer Tochter irgend etwas mangelt. Wenn ich es wagen würde, mit ihr selbst zu reden, Ihr könntet sicher sein, ich würde Euch nie und nimmer etwas anvertrauen, denn ich kenne Euch wie meine eigene Hand, und Euer prahlerisches Geschwätz ist wie Wind in meinen Ohren. Ich glaube aber, daß Ihr auf Eure Weise trotz allem noch an Eurer Tochter hängt; und ich muß mich mit dem zufrieden geben.«
    Dann vereinbarte ich mit ihm, daß er mich regelmäßig von Catrionas Adresse und Befinden unterrichten solle und setzte ihm als Entgelt ein kleines Stipendium aus.
    Er verfolgte die ganze Sache mit großem Eifer bis zum Abschluß und rief, als wir uns geeinigt hatten: »Mein teurer Freund, mein lieber Sohn, das sieht Euch ähnlicher als alles andere! Ich werde Euch mit soldatischer Treue –«
    »Kein Wort mehr!« sagte ich. »Ihr habt es so weit gebracht, daß mich bei der Bezeichnung Soldat bereits der Ekel würgt. Unser Handel ist erledigt; ich gehe jetzt fort und komme in einer halben Stunde wieder; bis dahin erwarte ich, daß Ihr meine Räume von Eurer Gegenwart gesäubert haben werdet.« Ich ließ ihnen gehörige Zeit; ich hatte nur die einzige Furcht, Catriona von neuem zu begegnen, denn Tränen und Schwäche lauerten in meinem Herzen, und ich hegte und pflegte meinen Zorn wie eine große Auszeichnung. Rund eine Stunde verstrich; die Sonne war untergegangen und eine schmale, junge Mondsichel reiste ihr über einen Hintergrund scharlachfarbener Abendröte nach; im Osten begannen bereits einige Sterne aufzusteigen, und Nacht blaute in meinen Räumen, als ich sie endlich von neuem betrat. Ich zündete eine Kerze an und musterte die Zimmer. Im ersten war nichts geblieben, das auch nur eine Erinnerung an die Entschwundenen hätte wachrufen können; aber in dem zweiten entdeckte ich in einem Winkel am Fußboden einen kleinen Haufen Sachen, bei dessen Anblick mir der Herzschlag stockte. Sie hatte alles, was ich ihr je geschenkt, bei ihrer Abreise zurückgelassen. Das war der Schlag, der mich am stärksten traf, vielleicht, weil es der letzte war. Ich warf mich über diesen Haufen Kleider zu Boden und benahm mich törichter, als ich hier eingestehen möchte.
    Spät in der Nacht, bei eisigem

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